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Textdokumentation<br />

Ob das Volk im Mittelalter zu religi sen Bildern (Christus, Madonnendarstellungen) kritisch<br />

Stellung nahm, d. h. sie auf seine nstlerischen Werte untersuchte, ist fraglich. Bekanntlich werden<br />

solche Fragen nicht berliefert. Wenn es doch der Fall war, dann sicher nur in ganz beschr nktem<br />

Maße. Das religi se Bild mit seiner Bestimmung wurde and chtig und ehrfurchtsvoll aufgenommen. Es<br />

war dar ber hinaus Symbol. Hier bestand also einmal ein unmittelbarer Kontakt zwischen Werk und<br />

Beschauer. Kritik w rde hier Ungl ubigkeit zur Voraussetzung haben. Mit der Renaissance und der<br />

Verbreitung der Akademien trat eine neue Einstellung zum Kunstwerk auf. Allein das Studium des<br />

menschlichen K rpers mit seinen Proportionen, die Entwicklung der Perspektive sch rfte den Blick und<br />

die Urteilskraft. Aber es ging immer noch um lehr- und lernbare Werte. Erst mit der eigenwilligen Gestaltungsweise<br />

des K nstlers (Zola) ging etwas von dem verloren, was bis dahin objektiv kontrollierbar<br />

und demzufolge kritisierbar war. Deswegen setzt von diesem Zeitpunkt an auch der Protest von seiten<br />

des Publikums ein, da sie nun in der scheinbaren Will rlichkeit impressionistischer oder expressionistischer<br />

Darstellungen jeden kontollierbaren Ansatz zur Kritik verloren. Wenn trotzdem auch diese<br />

Kunstformen Anerkennung fanden, so nicht etwa, weil sie zur rechten Zeit verstanden wurden, sondern<br />

weil durch sie ein neues (sch pferisches) Sehen vorgelebt und vorgeschaut wurde, dessen geistige Welt<br />

von den "Sehern" geschaffen wurde. Von hier ab hat sich die Kluft aufgetan zwischen Kunstbetrachter<br />

und Kunstwerk. Nicht daß sie un berschreitbar war, aber sie mußte erst berschritten werden. Auf<br />

welche Art, blieb dem einzelnen berlassen, durch intellektuelle Kritik oder durch gef hlsm ßiges Einleben<br />

in die Welt des Kunstwerks, zur Erfassung seiner Werte, seines Gef hlsinhalts, seiner geistigen<br />

Haltung, seiner kompositionellen Gesetze. Man konnte es erarbeiten, was dem einen spontan, dem anderen<br />

unter M he, dem dritten gar nicht gelang.<br />

[Seite 128:] Aber bei der abstrakten Malerei haben wir ganz andere Verh ltnisse. Eigentlich<br />

nicht neue. Sie sind vielmehr zugedeckt und sollten wegger umt werden. Gerade die abstrakte Malerei<br />

bedient sich ja wieder Urformen und verlangt kein Mitgehen im sentimentalen Sinne, sondern ein Ber<br />

hrtwerden von Formen, die in ihrer Harmonie und ihrem reinen Farbklang an Grundelemente nstlerischen<br />

Schaffens r hren. Sicher ist wohl, daß sich an diesem Kunstzweig die Geister scheiden. Eben<br />

weil sie rein ist (immer nat rlich im letzten Sinne), verlangt sie auch reine, empf ngnisbereite Seelen.<br />

Wenn die Masse nicht auf ihre Kosten kommt, so doch nur deswegen, weil sie auch die gegenst ndliche<br />

Kunst nicht rein sah. Deswegen m chten wir auch bestreiten, daß man durch Arbeit und Aufkl rung an<br />

die abstrakte Malerei herankommt. Wer sie abtastend erforschen m chte, wie ein fremdes Ding oder<br />

einen Menschen, dem wird sie sich nicht er ffnen. Man ist mit ihr verbunden oder steht ihr fremd gegen<br />

ber. Ein Mittelding gibt es nicht. Damit ist jene Einheit, jene unmittelbare Einheit zwischen dem<br />

Werk und dem Betrachter, zwischen Subjekt und Objekt wieder hergestellt, das urspr ngliche Verh ltnis,<br />

das die Neger zu ihren Masken, die Kinder zu ihren Zeichnungen haben, der mittelalterliche<br />

Mensch zu seinen religi sen Darstellungen. Unter diesem Gesichtspunkt ist das dazwischenliegende<br />

Stadium wirklich nur eine Episode.<br />

Diese prim re Einheit zwischen dem Beschauer und dem Werk, die ganz naiv immer wieder<br />

durch pers nliche Aussagen best tigt wird, das Nicht-N tig-Haben von Gef hlsbindungen (die man nur<br />

an einen andern, nicht an sich selbst haben kann, da nur im pathologischen Sinne des Narzißmus), von<br />

intellektueller Kritik, von prim rem Klarmachen der Komposition und der Form, erf hrt von ganz<br />

anderer Seite eine Best tigung, die sicher nicht durch die Betrachtungen ber abstrakte Malerei inauguriert<br />

sind: von dem psychologischen Experiment und daran sich ankn fenden medizin-philosophischen<br />

Betrachtungen. Dabei liegt allerdings die M glichkeit des Trugschlusses vor, daß diese Theorien<br />

nicht einfach deduktiv aus dem Experiment abgeleitet sind, sondern induktiv auf Grund der geistigen<br />

Situation mit der Subjekt-Objekt-Auseinandersetzung entstanden sind. Man beweist somit vielleicht<br />

etwas mit dem, das aus dem zu beweisenden selbst stammt. Der Trugschluß ist nicht allzu gef hrlich.<br />

Das wesentliche ist doch, daß sich die gleichen Fragen auf alle Gebiete gleichm ßig anwenden lassen,<br />

auch wenn vielleicht das eine das andere inauguriert. Es kommt hier nicht so sehr auf logische Beweis-

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