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Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung 47<br />
'Kulturbolschewismus', 'entartet', 'j ische Kunst'.“ (in Straka/Suermann 1983, 282) „Wir<br />
galten durch die Bank als homosexuell“, berichtet z. B. der K nstler Thomas Grochowiak<br />
(in Straka/Suermann 1983, 283; 1991, 182), und sicherlich ist hierin ein Folgeeffekt<br />
der Inszenierung der modernen K nstler als „B rgerschreck“ im Rahmen der Kampagne<br />
„Entartete Kunst“ zu sehen (vgl. Schuster 1986, 455).<br />
Die vorstehenden Zitate suggerieren, daß sich die Front der Ablehnung auf das<br />
„verbildete“ Volk beschr nkte oder auf junge Leute, die nie Gelegenheit hatten, sich mit<br />
'hochwertiger' Kunst vertraut zu machen. Doch nachweislich kam ein großer Teil der<br />
vehementen Gegner (allerdings auch der Bef rworter) der modernen Kunst aus den<br />
Reihen der lteren Intellektuellen (Abb. 1, 2), und ihre Kritik wog weitaus schwerer: Der<br />
Schweizer Max Picard ver ffentlichte 1946 eine Abhandlung mit dem Titel Hitler in uns<br />
selbst. Den Nationalsozialismus erkl rt er in diesem Buch als die Auswirkung einer<br />
extremen „Zusammenhangslosigkeit“ in der ußeren, aber auch der inneren Welt der<br />
Menschen. „Zusammenhangslosigkeit“ ist hier nur eine andere Umschreibung des (besser<br />
bekannten) „Verlusts der Mitte“, den Hans Sedlmayr 1948 in seinem gleichnamigen Buch<br />
zur Diskussion stellen sollte. Das Urteil gegen die moderne Kunst ist auch bei Picard<br />
hart; er sieht in ihr eine Auswirkung, aber auch eine Perpetuierung der allgemeinen<br />
„Zusammenhangslosigkeit“, die gegen die traditionelle Aufgabe der Kunst verstoße, eine<br />
Einheit vorzustellen. „Der Aspekt der Bilder vieler Maler, z. B. von Picasso, Klee, berhaupt<br />
von den Kubisten und den Simultaneisten, stimmt berein mit dem allgemeinen<br />
Zustand der Zusammenhangslosigkeit: die gemalten Objekte sind nicht nur zusammenhangslos,<br />
sie sind mißgestaltet, zerschlagen, als seien sie berall herumgeworfen, berall<br />
angestoßen worden auf diesen Irrfahrten hin und her im Durcheinander der Zusammenhangslosigkeit.“<br />
(160 f.) Weit ber die sp teren Ausf hrungen Sedlmayrs hinausgehend<br />
formuliert er explizit eine Verwandtschaft der modernen Kunst zum nationalsozialistischen<br />
Regime: „Diese Maler gehen noch weiter als Hitler, sie malen auch die Natur zusammenhangslos“<br />
(162), schreibt er und zeigt damit, daß die Ablehnung der modernen<br />
Kunst durch die Nationalsozialisten keinen Platz in seinem Denkgeb ude hat, ja sogar<br />
noch als eine Wohltat in der allgemeinen „Zusammenhangslosigkeit“ aufgefaßt wird.<br />
Diesem Nimbus der Ablehnung konnte die moderne, besonders die abstrakte Malerei<br />
allerdings weitgehend entkommen, wie die nachfolgende Entwicklung zeigt. Dies gelang,<br />
so meine These, durch ihren Einbezug in den Kanon des identit tsstiftenden Modells der<br />
„Kulturnation“: Moderne Kunst wurde von ihren Bef rwortern als zeitgem ß sthetische<br />
Umsetzung (Signifikant) des Konzeptes „Kulturnation“ rekonstruiert, und als