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Abstrakte Kunst und Wirtschaftswunder 149<br />
westdeutschen „(teil-)nationalen“ Identit t wurde zunehmend von dem Selbstverst ndnis<br />
der Westdeutschen als „Wirtschaftsnation“ abgel st. 9<br />
Angesichts dieser ver nderten Situation mußte es fortan zum einen um eine<br />
Neudefinition des Verh ltnisses dieser traditionell als gegens tzlich empfundenen Codes<br />
gehen und zum anderen darum, auf welche Weise sich das durch den Diskurs ber<br />
abstrakte Kunst erfolgreich als „Eigenes“ Definierte mit dieser neuen Entwicklung w rde<br />
koppeln lassen.<br />
An den Diskussionen einer der zentralen Kunst-Veranstaltungen des Untersuchungszeitraums<br />
1950-52, dem im Herbst 1950 durchgef hrten Darmst ter Gespr ch, 10 l ßt sich<br />
diese neue Thematik ablesen, deren diskursives „Spielfeld“ - und das verwundert nach<br />
dem bisher Gezeigten nicht - die abstrakte Malerei war.<br />
Diese Tagung zum Thema Das Menschenbild in unserer Zeit fand anl ßlich einer Ausstellung<br />
der Neuen Darmst ter Sezession gleichen Titels auf der Mathildenh he statt, in<br />
der „abstrakte“ Kunst, und das meint nach dem damaligen Verst ndnis nach wie vor<br />
Bilder mit einer Tendenz zur Abstraktion oder sogar Ungegenst ndlichkeit, zu sehen war<br />
(vgl. Ausstellungsverzeichnis in Evers 1951). 11 Auf die ausgestellten Werke wurde aber<br />
in der Diskussion nicht direkt Bezug genommen. Der Auswahl der Redner und<br />
Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung ist geschuldet, daß hier „Erzfeinde“ wie Willi<br />
Baumeister und Hans Sedlmayr aufeinander stießen (Abb. 1). So b ndelte die<br />
Veranstaltung die Diskussionen ber das anhaltende „Mißvergn en an der modernen<br />
Kunst“, 12 das mit einer zunehmenden Verbreitung dieser Kunst einherging.<br />
9 „Der zweite Code einer nationalen Identit t im Nachkriegsdeutschland war also die konomische<br />
Prosperit t, das Wirtschaftswunder“ (Giesen 1993, 240 f.). Giesen geht von einer Abl sung der kollektiven<br />
westdeutschen Identit t aus der Kultur durch eine aus der Wirtschaft aus.<br />
10 Das Darmst ter Gespr ch 1950 wurde in der Ver ffentlichung von Evers 1951 detailliert dokumentiert.<br />
11 Wiederum kann man beobachten - und dies wird auch von manchen der Teilnehmer problematisiert<br />
(vgl. z. B. Evers 1951, 109-111; 237) -, daß weitgehend eine Begriffsverwirrung vorherrscht und zwischen<br />
den verschiedenen Ausformungen der modernen Kunst kaum unterschieden wird.<br />
12 Vgl. z. B. den Artikel von Manuel Gasser mit dem Titel „Vom Mißvergn en an der modernen<br />
Kunst. Flucht aus der Gegenwart?“ Gasser bringt die Beispiele von vier Personen, die - anf nglich zu<br />
den Unterst tzern hlend - die moderne Kunst nun ablehnen: Wilhelm Hausenstein, Herbert Read,<br />
Georgio de Chirico und Salvadore Da . Seine eigene Unruhe angesichts dieser Konvertierungen ist<br />
nicht z berh ren. Das Mißvergn en an der modernen Kunst, so schließt er seine Ausf hrungen,<br />
„ist in Wirklichkeit nichts anders als das Mißvergn en an unserer Zeit und Welt, und die Anfeindungen,<br />
denen die Kunst gegenw rtig ausgesetzt ist, gelten in Wahrheit nicht ihr, sondern unserer<br />
sozialen, geistigen und religi sen Verfassung als Ganzes.“ (Gasser 1950) Vgl. zum selben Thema<br />
und mit dem selben Tenor Leopold Zahn 1950.