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Kapitel 2<br />
stark stilisierte K pfe zu erkennen. Eine eindeutige Zuordnung ist aber nur schwer m g-<br />
lich. Auf der rechten Seite werden diese erkennbaren Strukturen durch die dunkleren<br />
Formen gebildet, w hrend sie solche in der linken Bildh lfte eher zu begrenzen scheinen.<br />
Mit diesem angedeuteten Wechsel aus Negativ- und Positivformen bei einer sonst relativ<br />
gleichm ßigen Durcharbeitung der Fl<br />
he wird der Versuch einer Zuordnung erschwert,<br />
gleichzeitig scheint genau dieses Zur-Ordnung-Bringen hier Thema zu sein. hnliches<br />
l ßt sich auch auf anderen Bildern Baumeisters wie Zwei Weltalter (Variante auf Blau)<br />
(1947, Abb. 14) entdecken.<br />
Auff llig ist auch, daß viele Bilder ganz im Gegensatz zu ihren auf den ersten Blick<br />
„befriedeten“, heiteren Motiven ged mpft und schwerm tig wirken. Am besten ist dieses<br />
Ph nomen an den Arbeiten Meistermanns zu beobachten. Sie hinterlassen trotz der<br />
leichten, heiteren Motive und Namen (Abb. 4: Wintersonne, Abb. 15: Vorfr<br />
ling;<br />
Abb. 16: Sonnenblumen) einen außergew hnlich melancholischen Eindruck, was zum<br />
großen Teil auf die holzschnittartige, schwarze Rahmung einzelner Formen zur ckzuf<br />
hren ist, aber auch auf die verhaltene Farbigkeit der Aquarelle. Selbst die ungegenst<br />
ndliche Arbeit Zwiegespr ch von Max Ackermann (1946, Abb. 17) ist durch die<br />
dunklen Konturen der ansonsten leuchtenden Farbfl chen ged mpft.<br />
Die Katalogtexte geben keinen Aufschluß dar ber, wie die Zeitgenossen diese Bilder<br />
sahen und was ihnen daran als charakteristisch erschien, so daß ich im folgenden nur<br />
mutmaßen kann: Die malerische und kompositorische Umsetzung scheint von einem fast<br />
schon verkrampften Ringen um „Form“ zu zeugen. Ungeordnetes wird in eine neue<br />
Ordnun<br />
berf hrt, das impliziert - ebenso wie bei der Konstruktion von Identit t (vgl.<br />
Butler 1991, 194 ff.; Giesen 1993, 31) - den Prozeß der Grenzziehung zu etwas<br />
„Anderem“ und gleichzeitige Rekonstruktion von etwas „Anderem“. Formgebung<br />
bedeutet vor allem Abgrenzung und zugleich Selbstdefinition, und in dieser Hinsicht kann<br />
man die Bilder und deren Herstellungsprozesse als Analogie zu einer diskursiven<br />
nationalen Identit tsstiftung beschreiben. Richter beschreibt auch die „Nation“ als eine<br />
„Form“ und faßt darunter das Setzen einer Unterscheidung zwischen „Innen“ und<br />
„Außen“ (vgl. 1996, 79). 69 Diese Unterscheidung wird zugleich traditionell als<br />
„urspr nglich“ und „wesenhaft“ codiert (vgl. Anderson 1996, 195 f.), als Gewachsenes.<br />
Nation „ist die Form, die das 'unausrottbare Organische' im modernen, posttraditionellen<br />
Universum annimmt“ (Zizek 1992, 33). Parallel zu diesen Topoi wird in den<br />
69 Richter bezieht sich in seinen Ausf hrungen auf den „Form“-Begriff in Anlehnung an George<br />
Spencer Brown (Laws of Form, London 1971). In der „Form“ fallen Beobachter, Unterscheidung und<br />
Bezeichnung zusammen (vgl. Richter 1996, 81).