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Kapitel 4<br />
gehoben wie die Versorgung mit Lebensmitteln. Zum anderen soll dies das Interesse der<br />
Schauspieler an einem Kontakt mit einfachen Bergarbeitern und damit die „Volksverbundenheit“<br />
der K nstler demonstrieren. Nachtr glich wird die Legende als gelungener<br />
Streich interpretiert: In einer großen schichten bergreifenden Solidarit tsaktion gelingt<br />
es den Schauspielern und den „Kumpels“, deutsche Kultur vor dem repressiven Zugriff<br />
der Besatzungsm hte zu sch tzen.<br />
In diesem Sinne formuliert noch 1952 Hans B ckler das Grußwort der Gewerkschaften<br />
im Katalog zu der Ausstellung Mensch und Form unserer Zeit: „Wer den Sinn der Ruhr-<br />
Festspiele erfassen will, der muß wissen, daß die neue deutsche Gewerkschaftsbewegung<br />
mehr ist als eine Vertretung rein materieller Interessen. [...] Auch die Gewerkschaften<br />
k mpfen im Materiellen um des Ideellen willen. Ihr Kampf ist im Grunde ein geistig sittlicher.<br />
Letzthin geht es um den Menschen, seine Anerkennung und seine W rde, und hier<br />
liegt der tiefe Sinn der Ruhr-Festspiele: die deutsche Arbeitnehmerschaft bekennt sich zu<br />
den unverg nglichen geistigen G tern der Menschheit. Damit bekunden die schaffenden<br />
Menschen ihren Willen, Mensch zu sein und ihr Menschtum zu behaupten gegen alle<br />
Nivellierungs- und Vermassungstendenzen.“<br />
Eine zweite die Ausstellung pr gende Rahmenbedingung ist der Ort der Kunsthalle<br />
selbst, ein 1950 zu einem Ausstellungsraum umgebauter Hochbunker. Ich zitiere wiederum<br />
den Zeitzeugen und Mitinitiator der Ausstellung Grochowiak: „Da kam mir der<br />
Gedanke, daß es am Hauptbahnhof in Recklinghausen einen Bunker gab - ein Bunker, in<br />
dem sich die Schwarzh ndler und andere fragw rdige Gestalten, auch nicht seßhafte Dirnen<br />
trafen [...]. Ich hatte die Idee, diesen Bunker, in dem im Krieg die Menschen Schutz<br />
suchten, jetzt zu einer Diskussions- und Ausstellungshalle, zum Treffpunkt von K nstlern<br />
und kulturhungrigen B rgern umzufunktionieren. Man mußte ja, das war Auflage<br />
der Besatzungsmacht, ein Drittel der Bunker entmilitarisieren, d. h. sprengen, und das<br />
kam uns sehr recht; aber auch f r eine andere aufregende Sache, f r die R ume zum<br />
Treffen und Ausstellen dringend n tig waren: die Ruhrfestspiele.“ (Grochowiak 1991,<br />
176) Aus dieser Beschreibung spricht der Stolz, eine ehemals f r Kriegszwecke<br />
ben tigte Einrichtung nun f r kulturelle Aktivit ten nutzen zu k nnen. Der Bunker, so<br />
erfahren wir, war schon w hrend des Krieges Schutzraum und soll es nun auf eine andere<br />
Weise wieder werden: als Schutzraum der Kultur. Der Aufbauwille betrifft auch die<br />
negativen sozialen Auswirkungen der Nachkriegszeit. Die Schwarzh ndler und nicht<br />
seßhaften Dirnen sollen nun den kulturhungrigen B rgern - nicht Arbeitern! - weichen.<br />
Die Ruhrfestspiele zeigten sich folglich trotz der gewerkschaftlichen Tr gerschaft auch<br />
keineswegs als Fortsetzung einer ausdr cklichen Arbeiterkultur. „Was es bei den Ruhr-