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Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung 87<br />

Sie kamen nicht in Gesch ften, sondern sie kamen, um eine Ausstellung zu besichtigen!“<br />

(zit. nach Glaser 1990, 238)<br />

Domnick schreibt aber auch dar ber, welchen identifikatorischen Effekt der Besuch des<br />

von ihm organisierten Ausstellungszyklus mit sich brachte. „Und alle sind sich einig, daß<br />

etwas Neues f r sie Gestalt gewonnen hat, besonders f r die, denen seit 1933 der Zugang<br />

zur zeitgen ssischen Kunst verschlossen war. Erste Begegnungen. Der Zyklus gab<br />

Anstoß f r immer weitere Kreise. Eine Handvoll Menschen trug Erkenntnisse hinaus und<br />

schuf den Boden f r weitere Saat.“ (Domnick 1977, 181) Der Vergleich mit den J ngern<br />

Christi, die sich anschicken, eine Religion in die Welt zu tragen, liegt nicht nur nahe,<br />

sondern wurde in diesem Kreis auch explizit formuliert. Kurt Leonhard legte einem<br />

Kunsthistoriker in fingierten Gespr hen ber moderne Kunst folgendes in den Mund:<br />

„Ich vermag wirklich wie die ersten Missionare des Christentums Wunder vorzuweisen.<br />

Keine, die ich selber tue, aber ich er hle doch auch nicht bloß von ihnen, sondern kann<br />

mit dem Finger darauf zeigen. 'Wer Augen hat, zu sehen, der sehe!'“ (1947, 36) Das<br />

Sendungsbewußtsein der Vertreter der abstrakten Kunst ist ein Kennzeichen f r die kulturelle<br />

Codierung kollektiver Identit t vermittels der abstrakten Kunst in dieser Zeit.<br />

Derartige missionarische Bewegungen leben von der „konstitutiven Differenz zwischen<br />

denen, die das D monische [die „wahre“ deutsche Geschichte; KB] schon erkannt hatten<br />

und jenen, die noch aufgekl rt werden mußten“ (Giesen 1993, 238 f.).<br />

Das Anliegen der K nstler-Propheten verlangte nach Verbreitung. Domnick selbst hat<br />

diesen Aspekt sp ter herausgestellt und gleichzeitig klargemacht, wie er sich selbst damit<br />

identifizierte: „Ich kam mir vor wie ein 'Aufkl rer', der um J nger warb, die sich um ihn<br />

scharten.“ (Domnick 1977, 229) Der missionarische Impetus impliziert ein Hierarchiemodell<br />

der Selbsterh hung in der Verehrergemeinde. „Ist also schon in der Verehrung<br />

selbst die Strategie der Selbsterh hung potentiell enthalten, so wird die Steigerung des<br />

Ichs erst recht dort auff llig, wo der Verehrer selbst zum Ver nder, zum Propheten und<br />

Priester wird und damit auch auf ihm ein Abglanz an Ehrfurcht ruht.“ (Neumann 1986,<br />

98; vgl. auch Zilsel 1990) 64 Die Veranstaltungen Domnicks dienten dazu, Gemeinschaft<br />

und Identit t zu schaffen und abstrakte Kunst in Hinblick auf die „Kulturnation“ zu codieren.<br />

Erst in einem weiteren Schritt wagte Domnick aus diesem R ckhalt heraus die<br />

64 In den letzten Jahren hat sich vor allem die feministische Kunstwissenschaft mit der Funktion des<br />

Abglanzes der K nstler-Genies oder -Propheten auf den Sammler oder Vermittler befaßt. Vgl. z. B.<br />

Blick-Wechsel 1989, bes. Kapitel „Spiegelungen. Identifikationsmuster patriarchaler Kunstgeschichte“<br />

und von der Bey 1989.

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