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Textdokumentation 225<br />
grunds tzlich von einer expressiven Tanzmaske!). Bei diesen Bildnereien handelt es sich nicht um Vergreifungen,<br />
sondern um eine noch nicht feste Engrammbildung, psychatrisch gesehen um Alogien.<br />
Diese Parallelen bedeuten nicht, die abstrakten Maler mit Kindern oder Geisteskranken auf eine<br />
Stufe zu stellen, wie dies von Gegnern vielleicht geschehen mag; die Engrammbildung ist (im Gegensatz<br />
zu Kindern und Primitiven) fest, der logische Denkakt (im Gegensatz zu Geisteskranken) potentiell<br />
m glich. Aber der K nstler vermag in der Phase des nstlerischen Schaffensprozesses (der bei jeder<br />
nstlerischen Bet tigung eine Ver nderung des Bewußtseinszustands, eine Abschaltung der t glichen<br />
materiellen Belange voraussetzt), den gew hnten logischen Denkakt abzuschalten zugunsten der rein<br />
formalen Gestaltung der Idee und des Erlebnisses, die ja die Voraussetzung jedes echten Kunstwerkes<br />
sind.<br />
Das Engramm stellt eine Art Abstraktion dar. Wenn ich etwas zu erkennen versuche, so suche<br />
ich es mit dem auf Grund meiner Erfahrung vorgebildeten Engramm in Deckung zu bringen, den bestimmten<br />
Hund, den ich sehe, mit dem Begriff des Hundes, der alle Einzelformen in sich einschließt.<br />
Die Abstraktion bedeutet eine Reinigung von den unwesentlichen (wegen der Affektverquickung gerade<br />
oft angenehmen, oder auch unangenehmen) Zuf llig-[Seite 132:] keiten des Einzeldings, sch lt den<br />
gemeinsamen gedanklichen Inhalt heraus und faßt somit verschiedene Sonderf lle in einer allgemeinen<br />
Regel zusammen. Die Oberbegriffe S ugetier, Baum sind bereits Abstraktionen. Deutlicher wird das,<br />
wenn wir physikalisch die Tr gheit, die Fliehkraft, die Pendelwirkung als Sonderf lle der Schwerkraft<br />
ansehen; hier stellt die Schwerkraft (d. h. heute noch abstrakter der Magnetismus der Masse) die Abstraktion<br />
dar, die gleichzeitig Gesetzliches in sich birgt und alle Einzelf lle r ckl ufig wieder erschließen<br />
l ßt.<br />
Der Vorgang der Abstraktion ist aber auf wissenschaftlichem Gebiet ein anderer als auf nstlerischem<br />
bei der abstrakten Malerei. Die Einw nde gegen die Bezeichnung abstrakte Malerei oder gegen<br />
die abstrakte Malerei an sich stellen gerade die "Verbegrifflichung" als negative (daher nicht zutreffende<br />
bzw. als Gegengrund angef hrte) Wertung heraus, urteilen also moralisierend. Sie f hren an, daß die<br />
Abstraktion, der Begriff, immer etwas verloren gehen ließe, eben die Lebendigkeit der Einzelformen,<br />
den Erlebnisinhalt, der sich damit verbindet. Den allerdings streift die abstrakte Malerei bewußt ab. Und<br />
wenn Schopenhauer sagt: "Der K nstler ist seiner Absicht seines Zieles nicht in abstracto bewußt. Nicht<br />
ein Begriff, sondern eine Idee schwebt ihm vor", wenn er also der "Hohlheit" eines Begriffes die Idee<br />
gegen berstellt, so ist das nur mit Einschr nkung richtig. Solche aus entlegenen Zeitperioden hergeholten<br />
Zitate, die gern als Beweis der Seherschaft ihres Autors (oder der Belesenheit des Zitators) angef hrt<br />
werden, sind meistens schief, da unter einer ganz anderen geistigen Situation erwachsen. Unter der<br />
Voraussetzung des Engramms als Tr ger des Begriffs, und der Vorgestalt als wesentlichen Moments des<br />
nstlerischen Schaffensprozesses ist der Vorgang doch folgender: Die in der Vorgestalt bzw. im Vorerlebnis<br />
vor sich gehende Erlebnisform nimmt das Bild der Vorgestalt vorweg, bevor sie zur Endgestalt<br />
wird. Das ist ein nstlerischer Vorgang. Der intellektuelle dagegen geht aus von der Erlebniswelt im<br />
Sinne der Endgestalt oder des Endwissens und abstrahiert r ckl ufig den Begriff heraus. Der nstlerische<br />
Schaffensprozeß entspricht somit dem Vorgang der Abstraktion im Traum. Er widerspricht dem<br />
Vorgang der Wissenschaft. Die wissenschaftliche Abstraktion geht aus von einer vielf ltigen Vielheit<br />
und abstrahiert von da aus retrograd immer weiter, unter Heraussch lung des Wesentlichen, bis der an<br />
sich tote Begriff im Sinn der Abstraktion erreicht ist. Das Vorwissen des nstlerischen Schaffensprozesses<br />
oder besser das Vorerlebnis, das das geistige Aequivalent der formalen Vorgestalt ist, antezipiert<br />
dagegen a priori das, was unter Anwendung logischer Methodik auf einem umgekehrten Wege<br />
erreicht wurde.<br />
Wenn man von einem gegenst ndlichen Bild den Gegenstand wegn hme, w rde man - theoretisch<br />
- zu dem gleichen Endziel kommen. Wenn Picasso sagt: "Es gibt keine abstrakte Kunst, man muß<br />
immer von etwas ausgehen. Hinterher kann man alle Spuren der Realit t streichen", so entspricht das<br />
bekanntlich auch seiner Arbeitsmethode. Dieser Ausspruch Picassos (der wohlgemerkt nicht ein rein