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Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung 69<br />
Nationalsozialismus ist dies ußerst bedeutsam, denn mit der Magie des Realen gelingt<br />
eine Heroisierung und Verkl rung der weitgehend entzauberten Alltagsrealit t.“ (213) 44<br />
Dieser Hintergrund zeigt, daß nstlerische Utopien der ungegenst ndlichen Kunst in<br />
eine enge Verkn fung mit Gr ndungsvisionen eines neuen deutschen Reiches gebracht<br />
wurden und daß die Nationalsozialisten auf dieser Vorstellung aufbauten. Zentraler<br />
Bestandteil dieses Gedankengeb udes, das die fr hen Expressionisten installierten und<br />
die Nationalsozialisten instrumentalisierten, ist die Bezugsgr e des mit dem<br />
„Deutschen“ identifizierten „Geistigen“ als absoluter Wert, dessen Bedeutung h her als<br />
die Realit t einzusch tzen sei. Domnicks Verweis auf außer nstlerische Bezugsgr en<br />
der abstrakten Kunst legt den Verdacht nahe, daß er hier Ankn fungspunkte f r seine<br />
Ausf hrungen fand.<br />
„Die geistige Entwicklung bewegt sich in Richtung zum Abstrakten“, erf hrt der Leser<br />
schon auf der ersten Seite der Einf hrung Domnicks (1947, 13). Domnick installiert hier<br />
ebenso wie seine intellektuellen Wahlverwandten vor dem Zweiten Weltkrieg eine<br />
„geistige Entwicklung“. Doch es handelt sich bei ihm nicht um ein festes, unver nderliches<br />
„geistiges Reich“ jenseits der realen Welt, sondern um ein entwicklungsf higes,<br />
wandelbares „Geistiges“. Der Prozeß steht im Mittelpunkt. Im Gegensatz zum deutschen<br />
Idealismus argumentiert er, daß die Vorstellung einer kontinuierlichen „Aufw rtsentwicklung<br />
zu einem ideellen Endziel“ berholt sei. 45 Hingegen „sehen wir ja auch in jeder<br />
Epoche der Kultur nicht ein Zwischenstadium bis zu dem endlichen Ziel unserer 'geistigen<br />
H he', sondern erkennen den immanenten Wert jeder Kultur.“ (1947b, 133)<br />
Abweichend von den Vorkriegs-Utopien eines „geistigen Reiches“ scheint Domnick also<br />
auf den ersten Blick das geschichtsidealistische Bild einer zielgerichteten H herentwicklung<br />
als verbindliche Handlungsanleitung nicht zu teilen und kann somit auch die<br />
daraus abgeleitete Forderung nach einer gesellschaftlichen Verwirklichung in der<br />
„Nation“ anhand dieses Maßstabes nicht aufrechterhalten. Doch wenn man Domnicks<br />
44 Eine parallele Entwicklung hat Boris Groys (1987) auch f r die Kunst der Sowjetunion nachgewiesen.<br />
Der Anspruch der modernen Kunst, die Gesellschaft zu ver ndern, wurde vom Staat bernommen,<br />
die Form der modernen Kunst wurde jedoch abgelehnt.<br />
45 Dennoch wird diese Entwicklung, wenn schon nicht als aufw rts-, so doch als vorw rtsgerichtete<br />
dargestellt: „Heilung und Erl sung von einem unhaltbaren Zustand kann sich daher auch nie in<br />
einem einfachen 'zur ck' auswirken, wie das oft empfohlen wird, z. B. in der R ckkehr zur Religion<br />
oder zur 'Humanit t'. Eine R ckkehr zum status quo ante ist berhaupt nie m glich.“ (Domnick<br />
1947b, 126)