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Kapitel 2<br />
unserer geistig-seelischen Anlage, unserer Erfahrungen und Erlebnisse zu einem - mehr<br />
oder weniger scharf umrissenen - Weltbild verstehen.“ (1947b, 123). „Ist sie groß, ist<br />
auch das Werk groß, ist sie eigenwillig, ist es auch das Werk.“ (1947a, 110) Die abstrakte<br />
Kunst verlange „eine reine Seele und ein hohes K nstlertum“. „Das Kunstwerk wird<br />
somit ein pers nlichkeitsgebundener Ausdruck des Malers mit seinem Wesen, seinem<br />
Temperament, seiner Ethik.“ (109) Die Besonderheit des K nstlers im Gegensatz zum<br />
„normalen“ Menschen liege nicht im handwerklichen K nnen, schließlich gibt es lt.<br />
Domnick „Scharlatane“, denen auch „geschmackvolle Bilder“ gelingen k nnen (vgl.<br />
109). Klarer wird die Besonderheit des K nstlers anhand des von Domnick<br />
ausgebreiteten Kreativit tsmodells. Explizit wird der nstlerische Vorgang als ein<br />
aktiver bezeichnet, 51 und er wird in einer heterosexuellen Metaphorik artikuliert.<br />
Domnick bezeichnet die Entstehung der abstrakten Malerei als „Samenlegung“ (1947b,<br />
123). Das Modell der sthetischen Umsetzung des „Vorwissens“ bezeichnet er als<br />
„blutvolle initiale sc ferische Konzeption“, als „Zeugungsakt“, der „im abstrakten<br />
Werk direkt noch enthalten“ sei (130; Hervorhebung KB). Das abstrakte Werk sei das<br />
„Kind“ seines Sch pfers, ein „Gewachsene[s]“ im Gegensatz zum „Gemachten“ (1947a,<br />
109). Wiederum kann man Domnick die Lekt re Nicolai Hartmanns nachweisen. Das<br />
intuitive Erkennen ist auch nach Hartmann nicht nur ein passives Anteilhaben am An-<br />
Sich-Sein der objektiven Sph re, sondern wird ebenfalls als aktiver Vorgang dargestellt.<br />
Auf bemerkenswerte Art macht Hartmann in diesem 1921 niedergeschriebenen Modell<br />
klar, daß eine solche Erkenntnis ein m nnliches, handelndes Subjekt erfordert: Das<br />
Vorwissen entstehe durch „eine direkt auf die einzelne ansichseiende Wertmaterie durchstoßende<br />
Intuition, ein gleichsam penetratives Schauen“ (1949, 556). 52<br />
Domnicks Theorie vom nstlerischen Schaffen impliziert das Bild der „M nnlichkeit“, 53<br />
das Objekt und Resultat des „Zeugungsaktes“ sind noch genauer zu bestimmen. K nstle-<br />
51 In dieser Auffassung weicht Domnick von C. G. Jung ab, der ebenfalls das „Urbild“ als Basis des<br />
Kunstwerks begreift. Jung begreift das Sch pferische als „autonomen Komplex“, der sich des<br />
passiven K nstlers bem chtige (vgl. Neumann 1986, 208-211). Hartmann hingegen definiert die<br />
nstlerische Arbeit als aktiven Vorgang und h lt den objektiven Geist dadurch f r ver nderbar. Aus<br />
diesem Grund erw hnt Domnick Jung zwar (vgl. 1947b, 124), bezieht sich aber nicht weiter auf ihn,<br />
sondern argumentiert statt dessen mit Hartmann.<br />
52 Die Funktionsweise des „penetrativen Schauens“ kann Hartmann nicht n her erkl ren; er bezeichnet<br />
es als „r tselhaft, ein Wunder“ (1949, 556).<br />
53 Auch Utitz konstruierte in Vorwegnahme einer faschistischen Kunstideologie ein hierarchisches<br />
Modell auf der Basis von Geschlechter- und K rperbildern. Die berwindung des Chaos, das mit<br />
Triebhaftigkeit, der „Urgestalt des Weibes“ (1927, 33), gleichgesetzt wird, sei nur m glich durch eine<br />
neue „M nnlichkeit“. „Den langsamen, unendlich dornenvollen Weg zur H he f hrt nicht expres-