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Vom Kunstwunder zum Fr uleinwunder 193<br />

zung bildete. 8 Die Gegner der ungegenst ndlichen Kunst sahen durch die beschriebene<br />

Grenzerweiterung und gleichzeitige Reduktion den b rgerlichen Kunstbegriff und zugleich<br />

das Monopol des Codes „Kulturnation“ als Regelsystem einer nationalen Vergemeinschaftung<br />

in Gefahr. 9 Sie reagierten durch einen Versuch der erneuten Abgrenzung,<br />

der letztlich darauf zielte, die abstrakte Kunst (im Gegensatz zu anderen Kunstformen)<br />

als installierten Signifikanten der „Kulturnation“ wieder auszugrenzen. Hierzu wurde die<br />

traditionelle Betonung einer Hierarchie zwischen Kunst und Design von den Gegnern der<br />

abstrakten Kunst mit an Verzweiflung grenzender Vehemenz wieder aufgenommen und<br />

gegen die moderne Kunst ausgeschlachtet. 10<br />

Zus tzlich zu den Vergleichen der abstrakten Kunst mit Dekoration st t man in dieser<br />

Debatte aber - und das muß an dieser Stelle interessieren - auf gleichzeitige Geschlechterzuordnungen:<br />

Hans Sahl bef rchtet zum Beispiel eine Entwicklung wie in Amerika,<br />

„wo es l ngst zum guten Ton geh rt, 'abstrakt' zu sein, und Hausfrauen und h here<br />

T chter sich diesem leicht erlernbaren hobby mit derselben Inbrunst hingeben wie einst<br />

ihre M tter und Großm tter der Stickerei und Kl ppelarbeit.“ (Sahl 1954, 353) Diese<br />

S tze zeigen, daß eine Hierarchie zwischen „hoher“ Kunst und Gebrauchskunst rekonstruiert<br />

wurde, die sich - wieder einmal - in der Hierarchie zwischen M nnlichkeit und<br />

Weiblichkeit spiegelt. Dieses Ph nomen und sein Fortleben in der Moderne sind keineswegs<br />

neu (vgl. Deicher 1993). Dennoch erstaunt die Vehemenz, mit der Mitte der 50er<br />

Jahre auf diese Topoi zur ckgegriffen wurde. 11<br />

8 Geradezu als eine Ironie der Geschichte kann man es betrachten, daß dieser Streit ausgerechnet auf ein<br />

falsch wiedergegebenes Zitat Karl Hofers in der Frauenzeitschrift Constanze zur ckgeht. Dort war im<br />

Oktoberheft 1954 zu lesen: „Als ich dahinterkam, wie einfach es ist, gegenstandslos zu malen, hat<br />

mich diese Art der Malerei nicht mehr interessiert.“ (zit. nach Wollenhaupt-Schmidt 1994, 231)<br />

9 Diese Entwicklung wird bis heute als ein Verlust beklagt: „Der kalte Krieg riß die abstrakte Kunst aus<br />

ihren verschworenen, elit ren Avantgardezirkeln heraus und entleerte die in ihrem Autonomieanspruch<br />

angelegte Freiheitsidee zur Flagge einer auf Fortschritt und Wissenschaft ausgerichteten<br />

Aufbaugesellschaft und zur massenkompatiblen Etikette eines Lebensgef hls.“ (Br erlin 1993, 110)<br />

10 Dieser Vergleich wurde in den 80er Jahre in einer explizit ornamentalen, abstrakten Malerei, der<br />

Neuen Geometrie, wiederum thematisiert (vgl. Br erlin 1993).<br />

11 Selbstverst ndlich tauchen die abwertend gemeinten Vergleiche von Kunst und Kunstgewerbe schon<br />

fr her in dieser Debatte auf, aber nur vereinzelt. Karl Scheffler schreibt z. B. 1950: „Die stofflose<br />

Form gleitet ins Kunstgewerbliche und kritisiert damit sich selbst“ (44), deshalb sei sie eigentlich<br />

keine Kunst mehr. Im Gegensatz zu der Ornamentik in Naturph nomenen wie Wellen, Flora und<br />

Fauna zeige sie sogar eine „biologische Minderwertigkeit“ (38).

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