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Abstrakte Kunst und Wirtschaftswunder 187<br />

Westpfahl bezieht sich bei dieser Formulierung der Wirkungsweise der abstrakten Kunst<br />

auf eine ver nderte Wahrnehmungsf higkeit der RezipientInnen: Form und Farbe sollen<br />

ungeachtet ihrer materiellen Tr ger als Ausdruckstr ger verstanden werden (vgl. auch<br />

Baumeister in Evers 1951, 154). Wie schon beschrieben, hlte Else Meissner f r die<br />

Wirtschaft auf den gleichen Effekt. 51 Diesen Zusammenhang sah auch Martin Warnke:<br />

Die Aufnahmef higkeit, „die nicht mehr an realen Erfahrungstatsachen haften bleibt,<br />

sondern die eine Sensibilit t allein f r 'Komposition aus Formen und Farben' entwickelt“<br />

(1985, 217), sei auch der Wirtschaft zugute gekommen. 52 „Hier rechnete man schon mit<br />

Rezeptionsf higkeiten, um die in Museen und Kunstausstellungen noch gek mpft werden<br />

mußte. [...] Offenbar arbeitete der Markt schon mit abstrakten Formangeboten und<br />

schleuste sie schon in die Wohnungen ein, als in der Sph re der abgehobenen nstlerischen<br />

Rezeption abstrakte Formen noch m hsam gerechtfertigt werden mußten.“ (221)<br />

Die abstrakte Kunst habe also von der „Schulung“ des Publikums durch die parallele Entwicklung<br />

des Designs profitiert; zum Wohle und mit Unterst tzung der Wirtschaft.<br />

Meine These geht dar ber hinaus: Es berschneiden sich in diesem erwarteten „Gef hl<br />

f r die Sprache der Linie und Form“ in Gebrauchsgegenst nden (Meissner 1950, 15)<br />

zwei kontr re Modelle der Rezeptions sthetik:<br />

Zun hst werden hier an der abstrakten Kunst geschulte Rezeptionsweisen erwartet, die<br />

die christlich-humanistische Sehtradition hinter sich lassen und Farben und Formen nicht<br />

mehr als abbildlich, sondern als sinnbildlich verstehen k nnen, als Emanation eines<br />

„inneren Wesens“ und eines „sch pferischen“ Prinzips. In Anlehnung an das von<br />

Domnick vorgestellte Modell kann man diese Rezeptionsf higkeit als Ausdruck eines<br />

passiven Sch pfer- bzw. K nstlertums und dadurch R ckkehr zu bzw. Teilhabe an einem<br />

51 Sp testens seit Mitte der 50er Jahre aber wurde dieses Anliegen korrumpiert. Grasskamp hat gezeigt,<br />

daß 1959, am besten nachweisbar an einer Ausgabe der Zeitschrift Magnum mit Gegen berstellungen<br />

von abstrakten Kunstwerken und Fotografien moderner Technologie, abstrakte Kunst als eine Art<br />

moderner, zweiter Realismus dargestellt wurde (vgl. 1989, 100-108). Bereits 1950 kritisiert Ursula<br />

Hagelstange in der Zeitschrift Das Kunstwerk den „biologischen Realismus“ ungegenst ndlicher<br />

Kunst. Doch die K nstler scheinen die Wieder-Einf hrung der Mimesis auch selbst be nstigt zu<br />

haben (vgl. die Zitate moderner K nstler in Das Kunstwerk 1950, H. 8/9; vgl. Haftmann 1954, 437-<br />

439).<br />

52 1952 wird diese Verbindung dann en ltig zum Tagesgespr ch: Der Stil dieses Jahrhunderts „wird<br />

sich [...] nicht zuerst in Bildern und Plastiken ausdr cken, sondern in den Dingen, die dieses Jahrhundert<br />

zu bew ltigen hat: in der Formgebung der industriellen Erzeugnisse. So sind f r die Jahresringe<br />

unserer Stilentwicklung die Formen der K hler unserer Automobile etwa aufschlußreicher als<br />

die Jahresausstellungen der bildenden K nstler, ein Schiffsbaukran wird mehr aussagen als ein modernes<br />

Kirchenfenster.“ Joachim Sperr: Der Stil im industriellen Zeitalter, In: Die Neue Zeitung vom<br />

11.2.1952.

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