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Kapitel 2<br />
1945-1947: Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung<br />
Der Student zum Kunsthistoriker nach<br />
einem Gespr h ber abstrakte Kunst:<br />
„Ich glaube, daß ich von nun an manches<br />
mit anderen Augen sehen werde. Ganz<br />
kann ich allerdings noch nicht mit, aber<br />
was mich am meisten berzeugt, ist die<br />
berzeugende Art, in der Sie sprechen.“<br />
(Leonhard 1947, 20)<br />
Nach Kriegsende wurde in Deutschland schnell wieder ein kultureller Betrieb improvisiert,<br />
der von den Zeitgenossen mit berraschung quittiert wurde. Die verh ltnism ßig<br />
vielen ausverkauften Konzerte und gut besuchten Ausstellungen, die Theaterauff h-<br />
rungen und Kabaretts angesichts eines ansonsten noch v llig ungeordneten Lebens<br />
inmitten zerst rter St dte und von Fl chtlingsstr men, angesichts von Hungers- und<br />
Wohnungsnot nach einem selbstverschuldeten grausamen Krieg und V lkermord werden<br />
auf zweierlei Weise zu erkl ren versucht:<br />
Einen großen Anteil daran hatte sicherlich die Kulturpolitik der Alliierten (vgl. Held<br />
1981; f r Berlin Schroer 1988; f r T bingen Schr dl 1993) - allen voran die der sowjetischen<br />
-, die diese Entwicklung zielstrebig unterst tzte und organisatorisch erst m glich<br />
machte. Einen f r die damalige Zeit bedeutsamen Ausdruck fand diese Haltung zum Beispiel<br />
in der Zuteilung der Lebensmittelkarte f r Schwerarbeiter an K nstler; ihre Versorgungslage<br />
war damit immerhin um mehr als 100 % besser als die einer Hausfrau (vgl.<br />
Schubert 1986, 45). 1<br />
Auf dem K nstlerkongreß 1946 in Dresden erkl rte der Kulturoffizier Major Dymschitz<br />
zu den Zielen der sowjetischen Besatzungsmacht: „Wir wollten die große deutsche Kultur,<br />
die Kunst eines Goethe, Beethoven, Schiller und Heine befreien vom Mißbrauch und<br />
den F lschungen der braunen Banditen. Und wir haben sie befreit.“ (zit. nach Vorsteher<br />
1989, 191) Das Zitat macht deutlich, daß mit „deutscher Kultur“ eine klassische literarische<br />
un nstlerische Hochkultur gemeint war. Diese Schwerpunktsetzung, in der die<br />
anderen alliierten M hte der UdSSR nacheiferten und bald mit ihr konkurrierten, wurde<br />
vor allem von der us-amerikanischen Besatzungsmacht im Rahmen von „Umerziehungsprogrammen“<br />
gesehen, die z. T. schon w hrend des Krieges erarbeitet worden<br />
1 Hausfrauen erhielten die Lebensmittelkarten f r Erwachsene mit dem niedrigsten Gegenwert, der<br />
kaum zum berleben reichte, die sog. „Friedhofskarten“.