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Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung 79<br />

K nstler-Genie, der Prophet, den keiner erh rt, ist nicht nur ein beliebtes Thema nach<br />

1945; bei Franz Roh (1946, 1947, 1948), auf den sich Domnick auch bezieht (vgl.<br />

1947b, 125 f.), avanciert das Mißverstehen sogar zum Kriterium wahrhaft großer Kunst<br />

(vgl. auch Herlemann 1989, 28). „S ndenbock“ war der K nstler schon im NS, nun soll<br />

er als Garant kultureller Kontinuit t und Identit t ber die „Episode“ des NS hinaus einerseits<br />

und Prophet der neuen Ordnung andererseits wirksam werden. 56 Die K nstler<br />

bes ßen „[d]ie Kraft der G tter, die das Chaos ordnen!“ (Leonhard 1947, 82)<br />

Angesichts des Kunstwerkes, so meint Domnick, k nne der Betrachter das geistige Erlebnis<br />

intuitiv nachvollziehen. Es bestehe die M glichkeit einer Nacherlebbarkeit, wenn<br />

ein besonderes Einf hlungsverm gen, ein Sensitivismus beim Betrachter vorliege (vgl.<br />

1947a, 106). Ein besonders „besaiteter Organismus“ (106) sei f hig, die objektiv ltige<br />

Erkenntnis nachzuvollziehen und „Ausblicke ber das rein K nstlerische hinaus“ (111)<br />

zu gewinnen. Domnicks Ausf hrungen zu diesem Punkt gipfelt in der Behauptung, der<br />

Betrachter habe ein „latentes K nstlertum“, sei eine „passive K nstlernatur“ (106).<br />

„[R]eine, empf ngnisbereite Seelen“ (1947b, 128) n hmen beim Betrachten eines abstrakten<br />

Kunstwerkes Anteil am sch pferischen K nstlertum. Der Betrachter muß dem<br />

Kunstwerk gegen ber also zun hst eine passive, weibliche Rolle annehmen, „empf ngnisbereit“<br />

sein und Hingabe demonstrieren, um erst nach diesem Initiationsritus eine dem<br />

K nstler hnliche Rolle anzunehmen. Das „Weibliche“ soll auf diese Weise auch bei der<br />

Rezeption symbolisch aufgehoben werden, um zu einer neuen, m nnlich konnotierten<br />

Identit t zu gelangen. Schon die „Empf ngnisbereitschaft“ bedeutet schließlich eine<br />

Anerkennung der diskursiven Regeln bzw. eine Unterordnung unter die innere Logik des<br />

Diskurses, die eine anschließende freiwillige Identifikation garantiert. In den<br />

vorgestellten Ausf hrungen Domnicks wird das „Opfer“ nicht mehr nur - wie in der von<br />

Wenk nachgezeichneten Konstellation - den K nstlern, sondern offensichtlich auch den<br />

Rezipienten abverlangt, und es wird entsprechend der tradierten Geschlechterhierarchien<br />

weiblich konnotiert (vgl. Wenk 1996, 122 f.; Schade/ Wenk 1995, 369).<br />

Es bleibt festzuhalten, daß Domnick durch die vorgestellte Konstruktion eine M glichkeit<br />

f r den Rezipienten aufzeigt, eine dem kreativen K nstler hnliche (wenn auch<br />

56 Ein aufschlußreiches Beispiel f r diese Mythisierung ist ein Artikel von John Antony Thwaites (1949)<br />

anl ßlich der R ckkehr von Fritz Winter aus russischer Kriegsgefangenschaft: Als unter<br />

schrecklichen Bedingungen im sibirischen Straflager jeglicher soziale Zusammenhalt zu verschwinden<br />

drohte, organisierte Winter Symposien mit Fachleuten aus allen Disziplinen rund um die<br />

abstrakte Kunst, die „unmittelbar zum Zentrum des Lagers“ wurden und „zu einer Kraft, die es<br />

menschlich zusammenhielt“. Nach der R ckkehr plane Winter nun nach diesem Vorbild eine<br />

Kunstschule, um „in f nf Jahren das Gesicht dieser Generation“ der Jungen zu ndern.

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