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Kapitel 3<br />
nellen Bildungsb rgertums abgrenzende Zielgruppe wenden w rden, die die technische<br />
und wirtschaftliche Entwicklung ohnehin schon h her bewertet als die Kultur und die den<br />
Bezug auf den weiblich besetzten Haushalt nicht als Abwertung einstuft. Man kann ber<br />
diese Zielgruppe nur spekulieren: Entweder zeigt sich hier ein pragmatisches<br />
Zugest ndnis an die deutschen Lebensverh ltnisse, d. h. Rebay wandte sich bewußt an<br />
die „normale“ Bev lkerung, die trotz ihres nominellen Bekenntnisses zu kulturellen<br />
Werten aktuell weit mehr Wert auf eine Erleichterung der Lebensverh ltnisse legte. Oder<br />
aber sie hatte Vertreter der sog. „Zweiten Kultur“ (Sch ler 1990), d. h. Techniker und<br />
Manager im Auge, die in Deutschland allerdings - wie noch zu zeigen sein wird - erst<br />
langsam gr eres gesellschaftliches Gewicht erlangen sollten.<br />
Einig sind die beiden Autoren Rebay und Domnick darin, daß es einen „Bruch“ zwischen<br />
Geist und Materie gebe, der die Ursache f r die Krisen der Moderne sei - der NS als die<br />
gr te Katastrophe wird bei beiden allerdings nicht explizit benannt. Dabei kn fen sie<br />
an eine traditionelle deutsche bildungsb rgerliche Dichotomie an, die sich seit Ende des<br />
19. Jahrhunderts vor allem in der Konstatierung einer „Kulturkrise“ ußerte (vgl. Ringer<br />
1983, 229 ff.).<br />
In Domnicks Verst ndnis hat die abstrakte Malerei es seit ihren Anf ngen verstanden, die<br />
beiden Komponenten Geist und Materie vorbildhaft zu vereinen. Kraft dieser F higkeit,<br />
die sie sogar ber die „Episode“ NS hinweggerettet habe, k nne die abstrakte Malerei<br />
nun Vorbild f r eine neue synthetisierende „Klassik“ sein, womit er - im Rahmen der<br />
Verh ltnisse der unmittelbaren Nachkriegszeit - durchaus eine gesellschaftliche Entwicklung<br />
im Sinn hat. F r Rebay aber ist der „Bruch“ gesellschaftlich nicht z berwinden,<br />
sondern bestenfalls mit einer parallel verlaufenden „technischen“ und „geistigen Entwicklung“<br />
zu kompensieren. Sie pl diert f r eine Aufnahme der abstrakten Kunst als<br />
wesentlichen Bestandteil in diese Gesellschaft, damit dieser „Bruch“ ausgehalten werden<br />
kann. Ihre praktischen didaktischen Vorschl ge zur Realisierung dieses Ziels sind unmißverst<br />
ndlich. Franz Roh berichtet: „In Gespr hen ging Hilla von Rebay gelegentlich<br />
sogar so weit, zu meinen: Wenn man ungegenst ndliche Bilder in die Gef ngnisse hinge,<br />
so w rden alle egoistischen Begierden der Verbrecher erl schen. Sie w rden sich in<br />
bessere Menschen verwandeln.“ (Roh 1960, 47) In einem Brief vom 23.9.1947 schreibt<br />
sie: „Und darum ist die Gegenstandslose Malerei nicht nur sch n, sondern sogar auch<br />
praktisch, weil sie solch' ordnenden Einfluß bt. Sogar ein Kind, das mit solcher Kunst<br />
lebt, wird ordentlicher, und hat damit schon das halbe Leben gewonnen. Denn wer sich<br />
der Ordnung ergibt, lernt die Ordnung, das heißt, sich dem kosmischen Gesetz des