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94<br />

Kapitel 2<br />

solchen, die lediglich mehr oder weniger stark vom Naturvorbild abstrahieren. Aber eine<br />

Unterscheidung zwischen diesen Stilrichtungen war 1947 offenbar f r die Codierung<br />

nicht wichtig, denn Codes sehen ausschließlich „relevante Merkmale des Inhalts vor.“<br />

(Eco 1989a, 74)<br />

Aus dieser Perspektive sind die Bilder als Werte im Rahmen einer Codierung zu<br />

betrachten. ber ihren Inhalt wird eine Vereinbarung (traditionellerweise z. B. Ikonographie,<br />

Ikonologie) getroffen, die sich im Falle von Bildern nur an ihrem sozialen und<br />

intellektuellen Gebrauch konstituiert und auch daran ablesbar ist. Wie schon gezeigt,<br />

formulierte Domnick in Reaktion auf die Diffamierung der modernen Kunst im Rahmen<br />

der Kampagne „Entartete Kunst“ eine Abgrenzung zum Expressionismus, um in einem<br />

Verfahren der Ausgrenzung diesem Begriff alle nach 1945 negativ eingesch tzten<br />

Eigenschaften der Avantgarde zuzuschreiben. Im Gegenzug wurde die „abstrakte“ Kunst<br />

mit positiven Attributen versehen, die die Hoffnungen auf eine neue Zeit und die hohen<br />

Erwartungen daran repr sentierten.<br />

Dem in Domnicks 1947er Ausstellungszyklus versammelten relativ kleinen Kreis der<br />

Bef rworter der „abstrakten“ Malerei ging es zugleich darum, sich explizit mit seinen<br />

speziellen Vorstellungen und Ideen als Gruppe von der „Masse“ abzusetzen. Es ging also<br />

weniger um die F rderung einer bestimmten Art der Malerei unter vielen, sondern vielmehr<br />

um den Akt der Benennung/Bezeichnung, d. h. den Diskurs selbst, der Fremdes<br />

zum Eigenen macht und Eigenes als fremd ausgrenzt 70 - hier den Nationalsozialismus, der<br />

auf dieser Ebene diskursiv mit Expressionismus, Weiblichkeit und Natur gleichgesetzt<br />

wurde. Der Terminus „abstrakte Malerei“ hatte weniger eine bezeichnende Funktion f r<br />

ein bestimmtes nstlerisches Produkt, sondern ist vielmehr als Resultat einer Codierung<br />

anzusehen, die diese Bezeichnung und den um sie gef hrten Diskurs selbst als Zeichen<br />

f r eine Form der Identit t festschreiben m chte und zugleich eine identit tsstiftende<br />

Funktion f r ihre Autoren besitzt (vgl. auch Neumann 1986, 98-100). Auch Domnick<br />

hebt hervor, daß die abstrakte Malerei intellektuell nicht erkl rbar sei, ihre Wahrheit sich<br />

also „hinter“ dem Diskurs verborgen halte. Mit Foucault (vgl. 1983, 48) l ßt sich dieses<br />

Vorgehen als Strategie verstehen, die eine weitere Diskursivierung garantiert. Die betreffenden<br />

Gem lde sind deshalb noch lange nicht austauschbar, aber zun hst geht es nicht<br />

um gut oder schlecht, wahr oder falsch, sondern in erster Linie um das Dritte, die<br />

Grenzziehung, die nicht zuletzt auch im Kunstwerk durch die Hervorhebung von<br />

70 Der Grenzbereich von Dichotomien ist der Ort, an dem Identit t, das Ich entsteht. Um die Grenze zu<br />

erfassen, ist ein Code notwendig (vgl. Giesen 1993, 30).

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