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Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung 75<br />
54<br />
risches Schaffen, so Domnick, sei „ein Hinabsteigen zu den M ttern, zu den tieferen<br />
Wurzeln unserer Existenz ber unsere menschliche Begrenztheit hinaus. Pflanzenhaftes<br />
Wachstum, Triebkr fte der Erde, algenhafte Formen, Kristalle, Grundelemente der Welt,<br />
- der 'Weltstoff' letztlich ist es, mit dem wir uns eins f hlen und den der abstrakte Maler<br />
zu gestalten sucht, nicht abzubilden, sondern neu zu bilden in einem souver en Schalten<br />
mit Formen, die ihm eigen sind, die jeder nach seiner Natur sich neu erschafft.“ (1947,<br />
18 f.; Hervorhebungen KB) Diese Anleihe bei Goethes Faust - Faust muß, um die sch ne<br />
Helena zu gewinnen, zu den M ttern hinabsteigen und einen Dreifuß entwenden - steht<br />
assoziativ offenbar f r einen R ckgriff, ein „penetratives Schauen“ auf einen noch nicht<br />
gestalteten, urspr nglichen Roh- oder Urstoff, der als Potential oder Besitz der „M tter“<br />
angesehen wird. Dieser Bereich der „M tter“ bezeichnet eine urspr ngliche Ordnung,<br />
eine „wahre Natur“ (1947b, 131) vor der Natur. Es geht also nicht mehr um zu gestaltende<br />
Natur, sondern entsprechend eines neoplatonischen Gedankenmodells um einen<br />
nstlerischen Entwurf, der neben der Natur gleichberechtigt besteht und aus einem der<br />
sichtbaren Natur bergeordneten Bereich sch pft. „Die Natur ist biologisch gesehen<br />
zwar geordnet, nstlerisch gesehen aber ein Chaos“, schreibt Domnick (1947a, 108). 54<br />
Die sichtbare Natur m sse aus diesem Grund in der abstrakten Malerei getilgt werden:<br />
„Die Abstraktion bedeutet eine Reinigung von den unwesentlichen [...] Zuf lligkeiten des<br />
Einzeldings“ (1947b, 131 f.), die allerdings nicht durch Reduktion erreicht wird, sondern<br />
durch einen direkten Zugriff auf eine urspr nglichere Ordnung. „Das, was unter dieser<br />
Methode [der nicht reinen abstrakten Malerei, z. B. der Picassos; KB] unter allm hlicher<br />
Weglassung der 'Realit t' erreicht wird, wird beim im eigentlichen Sinne abstrakten Maler<br />
a priori erreicht, ohne den methodischen Weg des Streichens und Weglassens.“ (133)<br />
Deshalb seien die abstrakten K nstler auch nicht auf die Erscheinungen der Natur angewiesen,<br />
„sondern entwickeln in eigener Phantasie und reicher Erfindung Urformen, um<br />
berpers nliche Werte darzustellen.“ (1947, 19) Im Gegensatz zum Expressionismus,<br />
der noch von einem „subjektiven“ Gestalten ausgegangen sei, l se sich der abstrakte<br />
K nstler „geistig von der Natur, vom Inhaltlich-Thematischen, von der subjektiven Ersionistische<br />
Begeisterung, nur der ruhige, gehaltene, he Atem reifer M nnlichkeit in Strenge und<br />
Disziplin, Zucht und Ordnung.“ (181) Auch die „kampferprobte M nnlichkeit“ im Sinne Utitz'<br />
impliziert den Ruf nach einer neuen Elite, die F hrerqualit ten hat und dem „Chaos“, als das die<br />
Weimarer Republik so oft verstanden wurde, eine neue Ordnung abringen soll (vgl. 180).<br />
hnlich argumentiert auch Leonhar ber die „absolute“ Malerei: „[D]aß die Kunst die Tochter der<br />
Natur und somit die Enkelin Gottes sei [...], trifft offenbar f r die absolute Musik nicht zu, und auch<br />
nicht f r die absolute Malerei. Diese beiden m ten als Schwestern der Natur angesehen werden“<br />
(1947, 44; vgl. auch 70).