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Vom Kunstwunder zum Fr uleinwunder 197<br />
60), dessen qualitativer Unterschied zu den im Katalog Mensch und Form unserer Zeit<br />
pr sentierten Produkten (Abb. 59) nur schwer einsichtig ist.<br />
W hrend die „gute Form“ als mit dem Bereich der hohen Kultur kompatibel behauptet<br />
wurde, galt den Designern die „Stromlinienform“ also als Import aus den USA und als<br />
dem Bereich des Profanen, Oridin ren, Gef hrlichen 22 und „Weiblichen“ verhaftet.<br />
Die neue Unterscheidung f hrt also zur ck auf die bereits vorgestellte kultur konomische<br />
Operation, derzufolge eine valorisierte Kultur an Wert verliert, wenn sie Bedeutung<br />
im Massenbewußtsein erh lt (vgl. Groys 1992, 105). Diese Beurteilung aber ist abh ngig<br />
von der Position des Betrachters, d. h. in diesem Fall des gebildeten B rgertums einschließlich<br />
der Designtheoretiker als den Anw rtern auf eine gesellschaftliche Vorrangstellung,<br />
die durch das Modell „Kulturnation“ gesichert werden sollte.<br />
Phantasien der nationalen Untreue: Fr uleinwunder<br />
Besondere Brisanz erhielt das Konglomerat ausgegrenzter Konnotationen der „Form“,<br />
unter ihnen die Konstruktion des „Weiblichen“, allerdings durch eine außer nstlerische<br />
Entwicklung: Erica Carter hat in ihrem Buch „How German is She?“ (1997) gezeigt, daß<br />
die soziale Marktwirtschaft der diskursive Ort des nationalen Selbstverst ndnisses f r<br />
Westdeutsche der 50er Jahre war und daß der konsumierenden (Haus-)frau eine<br />
Schl sselfunktion in diesem Gef e zukam.<br />
Die vorgestellte theoretische Grenzziehung im Bereich des Designs zwischen „guter“<br />
Form und Stromlinienform scheint eine Reaktion auf den Erfolg von Produkten mit verspielten<br />
Formen und farbigem Dekor zu sein, die sich an die abstrakte Kunst anlehnten<br />
und zum Schlager der 50er Jahre avancierten. Die Be rfnisse der Nachkriegsbev lkerung<br />
wurden schon bald durch die wachsende und die bundesdeutsche Wirtschaftskraft<br />
enorm st rkende Konsum terindustrie befriedigt, die vor allem anonymes Design produzierte.<br />
Dies bezeichnet Entw rfe, die von Musterzeichnern oder Industriedesignern -<br />
ein damals erst aufkommender Beruf (vgl. Meissner 1950, 58) - im Auftrage einer Firma<br />
hergestellt wurden, also nicht aus der Hand namhafter K nstler stammten. 23 Die Waren<br />
im „Stromliniendesign“ tauchten außerdem weniger als hochwertige M bel oder in der<br />
Architektur auf, sondern ausgerechnet und haupts hlich als Kleinobjekte f r<br />
22 1952 verteidigte „unter Szenenapplaus ein Berliner Architekt die 'Harmlosigkeit' von Gartenzwerg<br />
und Kuckucksuhr gegen die 'Gef hrlichkeit' des Stromlinienkitsches“ (Borngr ber 1985, 229).<br />
23 Allerdings gelang es einigen VertreterInnen dieser Berufssparte, zu beachtlicher Bekanntheit zu<br />
gelangen: so z. B. Elsbeth Kupferoth, die wohl popul rste Textil-Designerin jener Jahre (vgl.<br />
Breitling 1985, 70).