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„Deutsche“ Kunst nach 1945 23<br />
Es werden drei Argumente benannt, die f r die Bef rworter der sog. abstrakten Kunstrichtung<br />
von Vorteil h tten sein k nnen: Erstens, wie schon skizziert, die dadurch<br />
signalisierte Gemeinsamkeit mit den westlichen Alliierten. Zweitens eine wirksame Distanzierung<br />
von der NS-Zeit und drittens ein abgrenzendes Signal gegen ber dem Osten<br />
Deutschlands.<br />
Diese Argumente setzen voraus, daß die abstrakte Kunst nicht mehr bloß Kunstrichtung<br />
war, sondern bereits mit politischen Implikationen angereichert, und zwar haupts hlich<br />
auf der Basis dessen, was sie aus der Sicht ihrer F rderer nicht darstellte: sie war weder<br />
NS-Kunst noch sozialistischer Realismus noch „deutsche“ Kunst. 34 Allerdings verl uft<br />
der auf diese Weise gesetzte Rahmen der Debatte interessanterweise exakt in den<br />
Grenzen, die auch eine nationale Debatte gesteckt h tte; erst die Abgrenzung erlaubt<br />
schließlich die Definition des Eigenen. Die Grenzbestimmungen werden nicht z. B. auf<br />
formale Besonderheiten der Kunst gegr ndet, sondern f hren immer wieder zur ck zu<br />
einer Abgrenzung von einer unliebsamen nationalistischen Vergangenheit bzw. zu einer<br />
Abgrenzung vom konkurrierenden anderen deutschen Staat. Auf der anderen Seite macht<br />
es auch stutzig, daß die angef hrten Gr nde f r die Durchsetzung der abstrakten Kunst<br />
im wesentlichen negativen Optionen entspringen. Konnte sich eine Kunstrichtung<br />
aufgrund abgrenzender politischer Pr missen durchsetzen, auf der Basis dessen, was sie<br />
nicht war? Die Attraktivit t der abstrakten Kunst, ihr positives Angebot, kann mit diesen<br />
Behauptungen allein nicht gekl rt werden.<br />
Daß man Bilder, die die Wirklichkeit abbilden, nicht mehr habe sehen wollen, weil die<br />
Nachkriegsrealit t allzu trostlos ausgesehen habe, ist ein weiterer Ansatz zur Erkl rung<br />
des Aufstiegs der „abstrakten“, hier verstanden als ungegenst ndliche Malerei. In „den<br />
Westzonen fanden Ruinenmaler wie Karl Hofer, Harald Duwe und Karl Hubbuch im<br />
Zuge eines wachsenden Wirtschaftsaufschwungs keine Resonanz, weil der Blick zur ck<br />
in das Chaos der Zerst rung einfach nicht mehr gefragt war“, meint Karin Thomas<br />
(1985, 26 f.). Es habe eine allgemeine Verdr ngungstendenz gegen eine Kunst gegeben,<br />
die die erschreckende Wirklichkeit der Zerst rung schilderte. Seit den 70er Jahren wird<br />
der abstrakten Kunst, aber auch der surrealistischen, gleichzeitig ein Mangel an eben<br />
dieser Zeugenschaft, ein Versagen angesichts der Schrecken der Realit t vorgeworfen, 35<br />
34 Grasskamps These, die Kunst habe durch die „ berantwortung der sthetischen Belange an den<br />
Markt“ (1992, 9) eine Entpolitisierung erfahren, ist angesichts dieser Betrachtungsweise nicht<br />
haltbar.<br />
35 Grasskamp betont die im Verh ltnis berragende Rolle der Medien Fotografie und Film bei der<br />
Darstellung der NS-Greuel und der Kriegszerst rung (vgl. 1992, 108).