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Kapitel 5<br />
terhierarchien sekund r geworden zu sein, wie abschließend ein Beispiel aus der<br />
Produktwerbung zeigen soll.<br />
Die Firma Pril ver ffentlichte 1954 eine Anzeige, auf der eine Frau gezeigt wird, die eine<br />
Fensterscheibe putzt (Abb. 67). Auf dem Handr cken der Frau wurde eine Lichtquelle<br />
installiert, so daß ihre Bewegungen ein abstraktes Bild auf die Fensterscheibe zu malen<br />
scheinen. Die reproduzierende T tigkeit der Frauen, die nach dem Krieg das berleben<br />
in Deutschland sicherte, wurde dem nstlerischen Produktionsprozeß gleichgesetzt.<br />
Auch bildende K nstler bedienten sich zu jener Zeit dieses fotografischen Verfahrens:<br />
Bekannt sind die Fotografien des mit Licht malenden Picasso von 1949 (Abb. 68).<br />
Weniger bekannt sind sicherlich die filmisch festgehaltenen Arbeitsvorg nge Pollocks<br />
hinter Glas (Abb. 69; vgl. Prange 1996, 75 f.) - doch zeigt der Vergleich, daß die Pril-<br />
Werbung eine neuerliche Hierarchie zwischen dem ordnenden, formenden „Deutschen“,<br />
das nun selbst von der Hausfrau repr sentiert werden kann, und den neuen<br />
„unordentlichen“, „fremden“ Kunstformen unterst tzte: Auf der einen Seite - ohne Pril -<br />
entsteht ein informelles, ungeformtes Liniengewirr mit berfl ssigem Kraftaufwand:<br />
„umst ndlich und m hsam“. Mit Hilfe von Pril stellt die Frau - so kann man der Werbung<br />
entnehmen - in nur 5 1 / 2 Minuten „schnell und spielend leicht“ gleich den angeblich ordnenden,<br />
sch pferischen abstrakten K nstlern der bundesdeutschen Nachkriegszeit eine<br />
Ordnung wieder her. Der Einsatz solcher Fotografien bei der Analyse und Optimierung<br />
von Arbeitsprozessen verweist darauf, welche Werte in der wirtschaftlich prosperierenden<br />
Bundesrepublik nun wirklich angesagt waren. Zugleich aber wird die abstrakte Formensprache<br />
als geeignetes und offensichtlich verst ndliches Medium benutzt, um diese<br />
Werte zu visualisieren. Dabei scheint nun auch die Hausfrau Qualit ten zu garantieren,<br />
die der Vergangenheitsbew ltigung dienen: „M helos“, so sagt der Text der Werbung zu<br />
der rechten, „ordentlichen“ Arbeit, „hebt das [...] Wasser die anhaftende Schmutzschicht<br />
[...] ab, schwemmt alles im Nu weg und rinnt glatt ab, ohne Spuren zu hinterlassen.“<br />
Die Geschichte der nationalen Codierungen der Kunst ist damit nat rlich noch nicht zu<br />
Ende geschrieben, denn die Produktwerbung von Pril er ffnet zugleich ein neues, noch<br />
zu schreibendes Kapitel. Eine chronologisch anschließende Analyse m ßte nun die<br />
Konzepte und Deutungen der „informellen“ bzw. „expressiven“ Kunst mit einbeziehen,<br />
die wiederum - so scheint es angesichts des ungebrochenen Geniekults z. B. um die<br />
Neoexpressionisten in den 80er Jahren - in eine neue Fixierung des sch pferischen,<br />
m nnlichen K nstlergenies m nden.