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Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung 61<br />
den Hoffnungen auf eine neue „Epoche“ nach dem Krieg. Dies garantiert nicht nur eine<br />
bessere Verst ndlichkeit und Eing ngigkeit bei der Leserschaft, sondern soll die abstrakte<br />
Kunst auch freistellen von einer m glichen „Verwechslung“ mit dem Expressionismus.<br />
Denn von Bedeutung ist in diesem Kontext auch, daß berhaupt eine Unterscheidung<br />
zwischen abstrakter Kunst und Expressionismus unternommen wird.<br />
Domnicks Botschaft lautet: Abstrakte Kunst ist nicht Expressionismus!<br />
Vor dem Krieg war diese Unterscheidung keineswegs blich. „Ab 1912 wurde [...] die<br />
Abstraktion mit der Idee des Expressionismus in Verbindung gebracht.“ (Washton-Long<br />
1988, 201) Es wurde in Deutschland lediglich unter Kennern und den K nstlern selbst<br />
zwischen verschiedenen Gruppierungen innerhalb des Expressionismus unterschieden.<br />
Auch in den Debatten ber den Expressionismus in der Zeitschrift Das Wort werden die<br />
in der Nachkriegszeit als abstrakt bezeichneten Maler - namentlich genannt werden z. B.<br />
Kandinsky und Klee - als Vertreter des Expressionismus aufgefaßt. Der Expressionismus<br />
galt als „offizieller Stil“ (Warnke 1985, 212) der Weimarer Republik, als „deutsche“<br />
Kunst (vgl. Damus 1995, 30). Selbst in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die gesammelte<br />
„Entartete Kunst“ noch unter dem Begriff Expressionismus gefaßt. 36<br />
Domnicks Abgrenzung der abstrakten Kunst vom Expressionismus scheint unter diesen<br />
Umst nden gewagt: Wollte er tats hlich die „Entartete Kunst“, die „deutsche“ Kunst<br />
ausgrenzen?<br />
Sicherlich nicht; vielmehr erh lt der Expressionismus in Domnicks Argumentation die<br />
Rolle einer Projektionsfl he f r alle als negativ eingesch tzten „Eigenschaften“ der modernen<br />
Kunst. Dieses Verfahren erlaubt ihm, als Gegenbild eine „bessere“ deutsche<br />
Kunst zu konstruieren, die um diese Faktoren bereinigt, allerdings mindestens so „alt“<br />
und etabliert ist. Domnick f hrt also eine neue Grenzziehung ein. Um das zu erreichen,<br />
konstruiert er zwei parallele Entwicklungslinien von Expressionismus und den Vorl u-<br />
fern der abstrakten Malerei. In deren Beschreibung zeigt sich auch, welche Aspekte<br />
Domnick mit dieser Differenzierung ausgrenzen konnte und warum er zur - riskanten -<br />
Preisgabe des Expressionismus bereit war.<br />
36 Zum Beispiel zeigte die als Gegenausstellung zur „Entartete Kunst“ 1938 in London pr sentierte<br />
Ausstellung „20th Century German Art“ fast nur expressionistische Bilder und wurde auch so angendigt<br />
(vgl. Frowein 1984, 217). Im Katalog stand: „The Exhibition has been conceived historically.<br />
It begins with the fully developed phase of Impressionism, as established about the turn of the<br />
century; it then follows the stages which correspond in Germany to those generally recognised als<br />
Post-Impressionism, Cubism, and Surrealism. It is to be observed, however, that the most<br />
characteristic type of modern German art demands and has received a special name, Expressionism.“<br />
(zit. nach Frowein 1984, 217)