Download (8Mb)
Download (8Mb)
Download (8Mb)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
224<br />
Textdokumentation<br />
durch weitere Vorantreibung formaler oder inhaltlicher Dinge verdeutlicht und somit verw ssert zu<br />
werden. Was dem K nstler als Idee vorschwebt, wird nicht in einer fertigen Form aufgeschrieben, nicht<br />
gedanklich ausgebaut, sondern unmittelbar formal festgehalten; nicht - wie oben ausgef hrt - im Sinne<br />
eines Denkakts, sondern eines formal- nstlerischen Vorgangs. In dieser Art wollen sie auch vom Beschauer<br />
gelesen sein.<br />
Eine Verdeutlichung dieser geistigen Vorg nge bei dem Begriff der Vorgestalt und dem hier beleuchteten<br />
nstlerischen Schaffensprozeß in der abstrakten Malerei bietet die Analyse des Traums.<br />
Auch der Traum spiegelt nicht das Erleben des Wachzustands direkt wieder, sondern "verkleidet". Aber<br />
es scheint hier doch nicht so zu sein, wie die Freudsche Traumanalyse meint, daß der Traum eine Tarnung<br />
unserer Gef hlsinhalte auf Grund moralischer Wertungen vornimmt, eine Verkleidung der seelischen<br />
Regungen, da sie in ihrer nackten Form mit unserer Moral nicht vereinbar w ren. Vielmehr erscheint<br />
der Traum mit seiner Symbolisierung vor dem Bewußtwerden der Gef hlsmomente zu liegen,<br />
eine noch nicht richtige Gestaltbildung der Inhalte, anstatt einer nachtr glich verkleideten, also in<br />
einem Stadium vor der engen Bindung an unsere wache Pers nlichkeit. Durch Analyse des Traums wird<br />
dieser nicht reduziert auf seine urspr ngliche Bedeutung, sondern ausgebaut zu der en ltigen, die in<br />
der Bewußtseinslage des Schlafes nicht vollziehbar war. Das geht auch hervor aus dem zun chst<br />
auff lligen Symptom des "Vorbeitr umens", d. h. daß belanglose, am Tage außerhalb des zentralen<br />
Gesichtsfeldes liegende Figuren, an die gar keine affektive Bindung besteht, im Traum wiederkehren.<br />
Diese Figur ist am Tage nicht gen end eingeordnet worden, hnlich wie im Experiment der<br />
"Vorgestalt"; unbewußt bleibt eine Spannung, eine enge Verbindung bestehen, die nach Ausl schung<br />
des wachen Bewußtseins im Traum zu einer Einordnung strebt. Diese Spannung f hrt auch bei den f r<br />
die Analyse bedeutsameren, unser affektives Erleben spiegelnden Traumformen zum Auftauchen der<br />
Erlebnisfragmente, die aber dann nicht, wie im Wachzustand, richtig assoziiert werden, sondern, dem<br />
Bewußtseinszustand entsprechend, in einer f r das wache Bewußtsein zun chst unverst ndlichen<br />
Verkleidung. Dabei werden die Gef hlsinhalte aber eher sachlicher erfaßt, in ihrer Struktur und ihren<br />
organischen Beziehungen zueinander und geben deswegen die M glichkeit einer Deutung von<br />
Konflikten, die im wachen Bewußtseinszustand nicht ablesbar sind. (Unter diesem Gesichtspunkt wird<br />
auch der Begriff des "Unbewußten" vielleicht einmal einer Kritik unterzogen werden m ssen; nicht das<br />
Unbewußte ist aus einer [Seite 131:] Tiefe aufzudecken und hervorzuholen, sondern das zu viel Bewußte<br />
ist abzur umen zur Wiederherstellung der "wahren Natur". Wirr ist nicht das Unbewußte, sondern das<br />
in unserem komplizierten Zeitalter berladene "Bewußtsein". Das ist auch eine Erkl rung f r den<br />
R ckgang des allgemeinen nstlerischen Empfindens und Schaffensreichtums in unserer Zeit.) Das<br />
gleiche geschieht im Kunstwerk, speziell im abstrakten. Es r umt weg und deutet.<br />
Bei jedem Assoziieren findet eine Art "Vorwahl" statt. Erkenne ich etwas, so w hle ich quasi aus<br />
einem im Nervensystem irgendwie verankerten Engramm, das die Summe meiner Erfahrungen zusammenfaßt,<br />
eins aus, das dem Objekt entspricht. Ist die Assoziation unvollkommen, wie im Traum oder bei<br />
einer Geisteskrankheit oder in unserem Experiment, so dadurch, daß falsch vorgew hlt wird. (Falsch, d.<br />
h. ein hnliches Engramm wird gew hlt. Im Traum z. B. statt des tags gef rchteten Todes ein Leichenwagen<br />
oder eine Kriegsszene, statt der Geldsorgen eine W ste, statt des Geliebten ein Stier. Das ist an<br />
sich noch keine Symbolik. Es bringt uns aber einer Deutung der archaischen Symbolentstehung auf<br />
einer primitiveren, noch "alogischen" Geistesstufe n her.) Das Objekt deckt sich nicht eindeutig mit<br />
dem gew hlten Engramm. Es kommt zu Entgleisungen: zur Verkleidung im Traum, zur Paralogie des<br />
Geisteskranken, beim Experiment zur "Vorgestalt". (In der Malerei k nnen so surralistische Z e entstehen,<br />
worauf einzugehen hier nicht der Platz ist.) Aehnliche Vorg nge finden wir in Kinderzeichnungen<br />
und archaischen Bildnereien, die denen der abstrakten Malerei oft so verwandt sind, (wobei auch<br />
wieder oft bersehene wesentliche Unterschiede bez lich des Kulturstandes und der Rasse bestehen,<br />
vornehmlich hinsichtlich der Affektbetonung; so unterscheidet sich eine H hlenzeichnung von Altamira