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Kapitel 2<br />

einer ber sich selbst hinausweisenden Kunst ein. Basis seiner Ausf hrungen ist dabei die<br />

Konstatierung einer Krise, eines „Chaos“. Wie die meisten seiner Kollegen reartikuliert<br />

Domnick hier ein kulturpessimistisches Gedankenmodell, das seit der Jahrhundertwende<br />

tief im Denken der Bildungsb rger verankert war (vgl. Wyss 1985, 320) und als<br />

Reaktion auf die rasante Industrialisierung in Deutschland zu lesen ist, die mit einer<br />

gesellschaftlichen Umschichtun bereinging. Ein Spiegelbild dieser Bef rchtungen<br />

waren die hohen Erwartungen an die Kunst und ihre Funktionen, die eng mit nationalen<br />

Mythen verkn ft waren und lange vor dem Zweiten Weltkrieg formuliert wurden.<br />

Schon einmal war in diesem Rahmen die ungegenst ndliche Kunst (als Teil des<br />

Expressionismus) in die Utopie der „Kulturnation“ zu integrieren versucht worden.<br />

In seiner lesenswerten Ver ffentlichung Die Br cke ins Geisterreich. K stlerische<br />

Avantgarde zwischen Kulturkritik und Faschismus (1992) beschreibt Peter Ulrich Hein,<br />

in welcher Weise die Nationalsozialisten von einer Verkn fung zwischen einer v lkischen,<br />

vision ren Gedankenwelt von einem neuen deutschen Reich und den Utopien der<br />

deutschen nstlerischen Avantgarde profitierten.<br />

Wilhelm Worringer hatte in seiner Dissertationsschrift Abstraktion und Einf lung<br />

(1908) 41 die Abstraktion als einzige M glichkeit beschrieben, von „der Verworrenheit<br />

und Unklarheit des Weltbildes“ auszuruhen, sie sei „der vollendete und dem Menschen<br />

einzig denkbare Ausdruck der Emanzipation von aller Zuf lligkeit und Zeitlichkeit des<br />

Weltbildes.“ (Worringer 1981, 39) 42 Das B chlein avancierte zu einer Programmschrift<br />

der modernen K nstler in Deutschland (vgl. z. B. Bushard 1990, 20-25, 46-50). In der<br />

Folge wurde „Antinaturalismus [...] mit Antimaterialismus und Antipositivismus so weit<br />

gleichgesetzt, daß die neue [ungegenst ndliche; KB] Kunst bald als Tr ger der Vision<br />

41 Die 1906 abgeschlossene Dissertation wurde 1907 in der Zeitschrift Kunst und K stler einem breiten<br />

Publikum zug nglich gemacht. 1908 wurde sie erstmals als Buch ver ffentlicht. 1948 erschien die<br />

erste Nachkriegsauflage in Deutschland im Piper-Verlag.<br />

42 Worringer hatte diese Ausf hrungen zuerst auf die „primitiven K nstler“ bezogen. Die Expressionisten<br />

wandelten dieses Verst ndnis: „Man unterschied nicht mehr zwischen der Weltfurcht des<br />

'primitiven' und der inneren Zerrissenheit des 'gotischen Menschen', sondern betonte die gemeinsamen<br />

Merkmale, die Worringer ihren Kunst ußerungen zugemessen hatte: Ausdruckshaftigkeit,<br />

Dynamik, Linearit t, den Drang zur Abstraktion. Auf die Spitze trieb Wilhelm Hausenstein die<br />

Gleichsetzung beider Begriffe, als er die deutschen K nstler des fr hen Mittelalters als 'europ ische<br />

Eingeborene' und als 'Neger des Nordens' titulierte.<br />

Unter 'primitiver Kunst' schließlich verstanden die Expressionisten ebenfalls etwas anderes als ihr<br />

Gew hrsmann Worringer. Sie dachten dabei weniger an den geometrisch linearen Stil der mykenischen<br />

und germanischen Kunst oder an die blockhaften Skulpturen der gypter, als an die Werke<br />

der sog. Natur lker, die der Kunsthistoriker aus seinem Entwicklungsschema ausdr cklich ausgeschlossen<br />

hatte.“ (Bushard 1990, 73)

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