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Vom Kunstwunder zum Fr uleinwunder 201<br />
sichtlich Argwohn und m ndete unter anderem in Disziplinierungs- und Erziehungsversuchen<br />
der Konsumentin: 30<br />
Angela Delille, Andrea Grohn (1985, 126 f.) und weiterf hrend Erica Carter (1997)<br />
haben aufgezeigt, daß es in der Folge eine offizielle Debatte ber die angebliche Unf -<br />
higkeit der Frauen zu einem rationalen, volkswirtschaftlich sinnvollen Denken und Kaufverhalten<br />
gab (vgl. Carter 1997, 42 und 82 f.). Schließlich ging nach dem damaligen<br />
Verst ndnis von der Stromlinienform ein „emotionaler Kaufanreiz“ (Giedion 1987, 655)<br />
aus; und ebenso wie die Stromlinie auf einer Minimierung jedes Widerstandes im<br />
Windkanal basiere, so verursache sie auch ein Schmelzen des Widerstandes gegen den<br />
Erwerb des mit ihr ausgestatteten Produktes. Die Haushaltsratgeber und Frauenzeitschriften<br />
der 50er Jahre quollen nur so ber von Verbraucherinnentips. „Sie argumentierten<br />
mit den Verlockungen des Konsums, denen Frauen nur schwer widerstehen k nnten<br />
und viel zu oft erl gen.“ (Delille/Grohn 1985, 127)<br />
Dieses Bild verkn ft die Diskurse ber Kunst, Nation, Wirtschaft und Frauen auf eine<br />
neue Weise: Es suggeriert den aus Amerika importierten Konsum, der gleichgesetzt<br />
wurde mit dem Stromlinienstil (vgl. Bignens 1992, 71 f.), als konkurrierenden Liebhaber,<br />
dem die deutsche Frau zu verfallen droht - ausgerechnet am heimischen Herd. Folgt man<br />
den Ausf hrungen von Irene Nierhaus (1996), so konnte das Auftauchen der abstrakten<br />
Formen im Haushalt zugleich auch als ein Eindringen in die Refugien der wertkonservativen<br />
Geschlechter- und Sozialstrukturen verstanden werden. Heimat und Haus, so zeigt<br />
Nierhaus, wurden zwar weiblich assoziiert (vgl. 22), waren aber zugleich Metaphern<br />
sozialer Ordnung und Dauer, die es „vor modernen Bedrohungen zu bewahren“ galt (27;<br />
Hervorhebung KB). Dar ber hinaus nimmt dieser Assoziationskomplex den in der<br />
Nachkriegszeit weit verbreiteten und emotional hoch aufgeladenen Mythos von der<br />
„erotischen Fraternisierung“ (vgl. zur Nieden 1995, 25) bzw. der „horizontalen Kollaboration“<br />
(vgl. Schmidt/Fichter 1971, 114) auf. Zur Nieden (1995) faßt diese Geschichten<br />
unter dem Begriff der „Phantasie der nationalen Untreue“ zusammen. Demnach h tten<br />
sich die Frauen nach dem verlorenen Krieg f r Lebensmittel und Konsum ter blindlings<br />
den Besatzungssoldaten in die Arme geworfen und so, abgesehen von der moralischen<br />
Verwerflichkeit, ihr Vaterland verraten - und verkauft. Susanne zur Niedens<br />
30 Schon Max Bill pl diert 1952 f r eine Erziehung der Konsumenten. Denn „[o]bschon eine gute und<br />
sch ne Form von jedem nat rlich empfindenden Menschen ohne weitere berlegung anerkannt wird,<br />
ist erwiesen, daß die guten und sch nen Dinge heute von den breiten Be lkerungsschichten meist<br />
nicht gekauft werden.“ (162, Hervorhebung KB)