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Kapitel 2<br />
konstruiert. Die Demontage wird also 1947 als schon erledigt dargestellt. Die Zeit und<br />
der Krieg h tten Vorarbeit geleistet, so daß den Nachkriegs-Abstrakten nur noch die<br />
ehrenvolle Aufgabe zukomme, die Scherben zusammenzukehren und auf der Basis einer<br />
l ngst begonnenen Entwicklung eine neue Ordnung und Harmonie zu formen. Die<br />
Stichw rter f r diese neue Kunst sind nun Aufbau, Harmonie und der Weg aus dem<br />
Chaos.<br />
Durch diese Darstellung gelingt es Domnick, die 'Dreckarbeit' der destruktiven<br />
Revolution nun retrospektiv ausschließlich den Expressionisten zuzuschieben, die er als<br />
Gegenpol aufbaut. Statt des 'Bruchs' 1933/1945 wird der 'Bruch' in der Kunst-Geschichte<br />
mit dem Beginn der Moderne - bei Domnick zwischen 1907 und 1912 38 - diskutiert und<br />
zum Ausgangspunkt der Legitimationsstrategien gemacht. Die destruktive Seite dieses<br />
einstmaligen nstlerischen Umbruchs repr sentiert in dieser Konstruktion der<br />
Expressionismus, die Fr chte sollen nun - 1947! - in Form der abstrakten Kunst geerntet<br />
werden. Der 'Bruch' durch den Nationalsozialismus und das Jahr 1945 wird dagegen als<br />
bloße „Episode“ (Domnick 1947, 13) und bestenfalls als Katalysator bezeichnet, der als<br />
wichtiger und einzig diskutabel die weit fr here Entstehung, die „Samenlegung“ (1947b,<br />
123) einer neuen „Epoche“ (1947, 16) gegen bergestellt wird. Diese Epoche aber hat<br />
nach der internen Logik dieser Argumentationen l ngst begonnen, sie wird als das<br />
Resultat einer ganz normalen, teleologischen Entwicklung eingef hrt (vgl. auch Herlemann<br />
1989, 28-30). Diese These von einer normalen, ja notwendigen Entwicklung<br />
transportiert ihrerseits die Vorstellung, daß die abstrakte Kunst in einer gewachsenen,<br />
legitimen, wertgebenden Tradition stehe. 39<br />
Diese Konstruktion erm glicht eine Diskussion ber das „Neue“ jenseits einer Auseinandersetzun<br />
ber den NS. Dieses „Neue“ aber wird als gesichertes Terrain und historisch -<br />
zumindest im Ausland - weitgehend legitimiert dargestellt. So wird eine Verkn fung des<br />
proklamierten „Neuen“ mit einer erhaltenswerten „Tradition“ unter Umgehung des NS<br />
m glich. Auf dieser Basis deklariert Domnick die Abstraktion als zwar formal erneuerte,<br />
inhaltlich aber - als einzig ad quate Reaktionsm glichkeit auf die Zeit - im Grunde traditionelle,<br />
klassische Kunst. Nach Domnick wurzelt die abstrakte Kunst tief in der hu-<br />
38 Der Zeitpunkt dieses behaupteten Bruchs changiert allerdings von Autor zu Autor auff llig. Sedlmayr<br />
(1988) setzt diesen Bruch bereits mit der Franz sischen Revolution an, andere datieren ihn z. B. mit<br />
der Entstehung des ersten ungegenst ndlichen Gem ldes von Kandinsky.<br />
39 „Die Tabuisierung der Epoche [des NS; KB] und die Konstruktion statthaltender und entlastender<br />
Kontinuit t bedingen einander“ in der Kunstgeschichtsschreibun ber die im NS verfemte Kunst,<br />
schreibt auch Hinz (1986, 20).