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Textdokumentation<br />

Wiedergabe dieser Wirklichkeit in irgendeinem Sinne zu deuten w re, denn man w rde es nicht darin<br />

finden. Wer sich aber durch die Proportionen eines solchen Bildes, seinen Formen- und Farbenaufbau,<br />

seine rhythmische Bewegtheit ber ht f hlt, der hat begriffen, was es dem Betrachter zu sagen hat: es<br />

will ihm Freude bringen, ihn aus aller irdischen Gebundenheit herausheben. Wer sich am Sonnenschein<br />

freut, fragt ja auch nicht, was die Sonne zu bedeuten hat; er genießt sie und wird sich erst sp ter klar<br />

dar ber, daß solche Freude auch in weiterem Sinne heilsam ist. So [Seite 11:] ist es mit der gegenstandslosen<br />

Malerei - erst sp ter wird sich der Betrachter dar ber klar, daß sie noch mehr vermittelt als<br />

die bloße Freude am sch n geformten Gebilde. Wie die Sonne f r den K rper, so ist sie heilsam f r die<br />

Seele; und gerade das ist es, was wir heute brauchen: Kr ftigung der Seele durch Hingabe an die bersinnlichen<br />

Ordnungen, die in dieser Kunst Gestalt werden.<br />

Vor Tausenden von Jahren gebot uns die Bibel, kein irdisch geschaffenes Bild zu verehren. Heute<br />

endlich besitzen wir die Voraussetzungen, dies Gebot zu erf llen. Religi s gesinnte K nstler empfanden<br />

die innere Verpflichtung als erste; sie verzichteten auf bloße Nachbildung der Natur und suchten daf r<br />

nach jener tiefen Konzentration und Selbstdisziplin, die zum Wesen des eigentlich Sch pferischen geh<br />

rt.<br />

Es ist keine leichte Aufgabe, eine neue Struktur zu schaffen, die die Bildfl che mit Leben erf llt.<br />

Sind wir erst f hig, dieses Leben zu f hlen, so werden wir auch die ordnende Sch nheit der Kunst in<br />

ihrer Wirkung auf uns erfahren k nnen. Und Ordnung in unser eigenes Leben wie unsere Umwelt zu<br />

bringen, ist von ußerster Wichtigkeit f r unser Wohlbefinden, im Bewußten wie im Unbewußten. Zweifellos<br />

bedeutet es f r die meisten anfangs eine gewisse Schwierigkeit, von jeder geistig anregenden Unterhaltung<br />

abzusehen, wie man sie von gegenst ndlicher Malerei erwartet. F r manche ist es sogar ganz<br />

unm glich; wie es ja Menschen gibt, die unmusikalisch sind. Nicht jeder ist f r Musik empf nglich, und<br />

wer unmusikalisch ist, gibt es auch offen zu. Wer sich aber nichts aus Malerei macht, wird das im Gegenteil<br />

nie zugeben, und wer Sch nheit schon nicht zu empfinden vermag, f hlt doch auf jeden Fall die<br />

Berechtigung zur Kritik. Immerhin, es gibt doch sehr viele, die sie wirklich empfinden, und viele, die<br />

sich vorher nichts aus gegenst ndlicher Malerei machten, f hlen sich beim ersten An-[Seite 12:] blick<br />

durch die gegenstandslose ber hrt. Andere lernen die Freude daran erst nach l ngerem Umgang mit<br />

dieser großen Kunst.<br />

Am Anfang aller großen nstlerischen Bewegungen steht das Genie. Bach war es vor zweihundert<br />

Jahren in der Musik; kein anderer Komponist erreichte je seine Bedeutung, und selbst der große<br />

Beethoven steht noch in seiner Schuld. Zu unserer Zeit hat die Malerei eine H he erreicht wie kaum<br />

zuvor, und auch an ihrem Beginn steht die Offenbarung eines Genies; aber wieder geht das große Publikum<br />

an ihm vor ber, zu abgelenkt, um sich ber das, was aus den Errungenschaften vergangener Jahrhunderte<br />

erwuchs, Rechenschaft zu geben. Denn seit nun vierzig Jahren ist der Weg von der Malerei als<br />

Abbild zur Malerei als reiner Sch pfung bereits eingeschlagen. Diese Kunst fand sich selbst, als 1911 in<br />

Europa Kandinsky, kurz darauf Bauer ihre berraschenden Kunstwerke schufen, die sich nun dank der<br />

hochherzigen Schenkung eines anderen weitblickenden Mannes, Solomon R. Guggenheim, im Besitz<br />

der Vereinigten Staaten befinden.<br />

Der Drang zum frei Sch pferischen ist den meisten Malern heute tiefstes Anliegen. Schon gibt es<br />

viele Menschen, die lieber mit den Sch pfungen gegenstandsloser Malerei leben wollen als mit der toten<br />

Wiedergabe von B umen, die sich doch nicht im Winde wiegen k nnen, von bewegungslosen menschlichen<br />

Gestalten ohne L cheln, von Blumen ohne Duft. Bald wird das Fernsehen die bewegten Abbilder<br />

des Lebens in unser Heim zaubern; aber daneben steht die so ganz anders geartete gegenstandslose Malerei,<br />

die uns allen in abgekl rter Heiterkeit eine Botschaft friedevoller Ordnung, entspannter Freude<br />

und Abkehr von allem Irdischen ver ndet.<br />

Die Farbphotographie erzielt heutzutage nstlerisch vollendete Wirkungen, die oftmals denen<br />

großer Maler nahekommen. Durch [Seite 13:] die Photographie hat nun die F higkeit, getreue Abbilder<br />

der Wirklichkeit und des Menschen zu erzeugen, viel von der wesenhaften Bedeutung verloren, die ihr

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