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Textdokumentation 219<br />
hen: "Krieg ist aller Dinge Vater." Was in ruhigen Zeiten als Bl hen der Musen imponiert, ist ja nur die<br />
geistige Vollendung einer unter Not und Bedr ngnis gezeugten Idee.<br />
Das Intuitive, das Unbewußte des nstlerischen Schaffensprozesses erscheint somit eine selbstverst<br />
ndliche Voraussetzung. Diese These wird aber immer wieder bestritten. Das Bewußtsein sei<br />
durchaus nicht ausgeschaltet, die Komposition beruhe nicht auf dunklen traumhaften Formulierungen,<br />
sondern werde im hellen Bewußtsein unter dauernder Kontrolle durch die Kritik im Schaffensprozeß<br />
entwickelt. Man mißversteht dabei den Begriff des Unbewußten, der allerdings vom Psychiater, vom<br />
Psychologen und von Philosophen oft in verschiedener Ausdehnung und Form gefaßt wird. Alle unsere<br />
psychischen Funktionen, auch komplizierte Schl sse, k nnen ablaufen, ohne daß wir uns deren bewußt<br />
sind. Auch wenn der Maler sich vorher den Inhalt des Bildes bewußt zurechtlegen sollte, gewissermaßen<br />
sein Programm macht (was durchaus nicht immer der Fall ist, denn wie das Denken die allm hliche<br />
sprachliche Formulierung zum Vorankommen ben tigt, gebraucht der Maler die langsam entstehende<br />
Form), so bezieht er doch diese Konzeption, den Impuls zu der Idee, die er im Werk zu verwirklichen<br />
sucht, aus dem ganzen Komplex seiner Pers nlichkeit, seiner geistig-seelischen Haltung und seinem<br />
nstlerischen Formwillen. Sind auch gerade dem modernen Maler, wie wir wiederholt feststellten, die<br />
Einzelheiten dieses Komplexes mehr bewußt als vielleicht einem naiveren, so ist doch durchaus zu bestreiten,<br />
daß sie es w hrend des Schaffensprozesses sind. Gerade die seelischen Faktoren, die den Maler<br />
zur Aussage dr ngen, sind nach allen psychologischen Erfahrungen mehr oder weniger unbewußt. Nur<br />
unbewußte Erlebniselemente bewirken eine seelische Spannung, die die Triebfeder zur Gestaltung<br />
bildet. Die Kl rung und Entspannung erfolgt im Schaffensprozeß. Deswegen finden wir auch so zahlreiche<br />
Aussagen von K nstlern, daß das fertige Werk seinen Sch pfer nicht mehr interessiere. Mit der<br />
Kl rung und Formulierung ist der Abstand gewonnen und damit die enge pers nliche Bindung an das<br />
Werk abgestreift.<br />
Der Anteil des Unbewußten am nstlerischen Schaffensprozeß l ßt sich leicht mit unserer Feststellung<br />
in Einklang bringen, daß das Werk an die k stlerische Pers lichkeit gebunden ist, wobei wir<br />
unter Pers nlichkeit den ganzen Komplex unserer geistig-seelischen Anlage, unserer Erfahrungen und<br />
Erlebnisse zu einem - mehr oder weniger scharf umrissenen - Weltbild verstehen. Das abstrakte Werk ist<br />
in besonderem Maße durch die Pers nlichkeit seines Sch pfers gekennzeichnet. Es wird durch sie gespeist,<br />
es spiegelt [Seite 124:] sie wider bez lich ihrer Artung und ihrer F lle. Es l ßt sich daher auch<br />
nicht nachahmen. Aber wir stellten auch andererseits fest, daß die abstrakte Malerei im Gegensatz zum<br />
Expressionismus nicht ich-bezogen ist, nicht subjektives Erleben darstellt, daß sie sich l st nicht nur<br />
von der Abbildung der Natur, nicht nur vom ußeren Geschehen im Sinne der Schilderung eines Vorgangs<br />
menschlicher Beziehungen untereinander, sondern auch vom pers nlichen Erlebnis im Sinne<br />
eines Affektvorgangs. Der Expressionismus verlegte das Drama von der B hne in den acteur, behielt es<br />
aber im Grunde bei. Die abstrakte Malerei hat das Drama ausgeschaltet. Das pers nliche Erlebnis<br />
schl gt sich nicht direkt im Werk nieder.<br />
Diese beiden Feststellungen scheinen sich zu widersprechen. Wie verh lt es sich berhaupt mit<br />
der sch pferischen Pers nlichkeit in Beziehung zum Werk? Hat es etwas auf sich mit der so oft zitierten<br />
Anonymit t in der Kunst im Sinne nicht nur der Freiheit von der Ich-Bezogenheit, sondern sogar der<br />
Ich-Freiheit (Grohmann)? Was besagt die Deutung der Kunst unserer Tage im Sinne des "kollektiven<br />
Unbewußten" (C. G. Jung), d. h. daß durch Jahrtausende Generationen hindurch Urerlebnisse latent<br />
erhalten bleiben, aber jederzeit erweckbar sind und wirksam werden k nnen? Wie erkl ren wir uns die<br />
merkw rdigen Beziehungen der modernen Kunst zu archaischen, praehistorischen Formen, zu afrikanischer<br />
Plastik, zu fr hromanischen Bildwerken, zu Kinderzeichnungen oder sogar zur Bildnerei der<br />
Geisteskranken? Und wie verhalten sich diese Feststellungen zu der unbestreitbaren Tatsache, daß trotzdem<br />
gerade das Werk jedes abstrakten Malers (im Gegensatz zu fr heren Meistern) in unverkennbarer<br />
Weise den spezifischen Atem der Pers nlichkeit tr gt?