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Abstrakte Kunst und Wirtschaftswunder 153<br />

dieser Tradition wird als das Hauptproblem des 20. Jahrhunderts gewertet. „Die Kultur<br />

vermochte nicht Schritt zu halten mit dem Vorw rtsst rmen der Technik. Das Gesch pf<br />

des Menschen war ihm ber den Kopf gewachsen. Wohin das f hren mußte und f hrte,<br />

haben wir alle erlebt“, meint auch der Verfechter der abstrakten Kunst Hildebrandt (in<br />

Evers 1951, 227). 15 Um diese Entwicklung einzud mmen, wird wiederum ein<br />

Opfermythos reartikuliert: „Die Zerschlagung der Gestalt ist ein wesentliches Element<br />

der abstrakten Kunst. Die Zerschlagung der Gestalt bedeutet das Erleiden dieser<br />

Zerschlagung. Das Annehmen des Erleidens, ja, die feierliche Ehrung dieses Erleidens als<br />

Erweiterung und M glichkeit unseres Menschtums berhaupt, hat seit Christi Erscheinen<br />

das Werden und Wachsen des Abendlandes bestimmt. [...] Wie sehr das Erleiden das<br />

Abendland formt, zeigt das zerst ckende Wesen der Technik, das wir leidend erfahren<br />

und formen an jedem Tag. Die Fahrt mit der elektrischen Bahn, das h mmernde Wesen<br />

der Reklamen, das aufl sende Fliehen des Landschaftsbildes vom Zug aus, alle<br />

Zumutungen, in die wir hineingeraten durch die Faszination des technischen Komforts,<br />

sind Erlebnisse aus dem Reich des Zerschlagenseins. [...] In diesem Sinne ist die<br />

abstrakte Kunst ein Hineinnehmen und ein Fassen des Zerschlagenseins und damit die<br />

erneute Vertiefung des Christlichen in unserer Zeit.“ (Westpfahl in Evers 1951, 187 f.)<br />

Der Verzicht auf den Gegenstand wird aufs neue als - nun sogar christliches - Opfer<br />

gedacht, der „Bruch“ zwischen „Faszination“ und „Zumutungen“ der Technik soll<br />

erlebbar bleiben, denn seine Pr senz erm gliche zugleich das „Formen“ des<br />

„Abendlandes“. 16 Der „Bruch“, der alle Debatten ber die Kunst seit 1946 begleitet, wird<br />

also nun als zentrales Thema der abstrakten Kunst definiert, wobei zugleich um ihre<br />

Position als Signifikant des nationalen Selbstverst ndnisses gerungen wird. So sagt<br />

Theodor W. Adorno bei den Darmst ter Gespr chen: „Ich w rde dialektisch sagen,<br />

daß die Harmonie des modernen Kunstwerkes darin besteht, daß es das Zerrissene, selbst<br />

unvers hnt, unversetzt zum Ausdruck bringt und ihm standh lt, und daß eigentlich in<br />

diesem Standhalten, in diesem Wortefinden f r das, was sonst wortlos ist, das einzig<br />

Vers hnende liegt“ (Adorno in Evers 1951, 215).<br />

15 Hierin gleicht seine Argumentation der Hilla Rebays (siehe S. 127).<br />

16 Silke Wenk erkannte dieses Konzept in der Berliner Skulptur „Flamme“ von Bernhard Heiliger, in<br />

der alle wesentlichen Elemente der Opfermetaphorik angelegt sind. „Sie expliziert einen<br />

Zusammenhang von Konstruktion und Dekonstruktion; sie erinnert daran, daß das 'Neue' mit<br />

gewaltt tiger Zerst rung 'des Alten' einhergeht. Dies kann als Kritik des Opfers gesehen werden, aber<br />

auch als dessen Best tigung.“ (1996, 253)

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