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Vom Kunstwunder zum Fr uleinwunder 205<br />
In den Augen der Gegner der abstrakten Kunst wurde das „Geistige“ der Kunst durch<br />
den Konnex mit dem Design an die weiblich konnotierte, als „amerikanisch“ und oberfl<br />
hlich verstandene „Materie“ verraten, und die K nstler hatten sich dieser internen<br />
Logik zufolge nicht als f hig erwiesen, diese Bedrohung abzuwenden. 1956 monierte<br />
Hans Weigert 38 daß dem „deutschen Wirtschaftswunder kein Kunstwunder“ entsprochen<br />
habe, weil es den abstrakten K nstlern an Kraft und Phantasief lle gefehlt habe (zit. nach<br />
Herlemann 1989, 111 f.). 39 Sie k nnten allenfalls noch Muster f r Tapeten und Kleiderstoffe<br />
liefern, die gegenstandslose Kunst werde zum Kunstgewerbe (vgl. 111). Es berrascht<br />
nicht, daß gleichzeitig mit der Originalit t und Sch pferkraft auch die „M nnlichkeit“<br />
des K nstlers in Frage gestellt wurde, schließlich wurden ihm nach dem Verst<br />
ndnis der Kritiker durch die (angeblich) importierte Konkurrenz der Gebrauchs ter<br />
in seinem eigenen Territorium, der visuellen Sprache, sozusagen H rner aufgesetzt. Da<br />
der Schwerpunkt der Debatte ber abstrakte Kunst bislang auf einer ideologischen,<br />
geistesgeschichtlichen Bedeutungszuweisung lag und dar ber vers umt wurde, sthetische<br />
Kriterien zu ihrer Beurteilung anzuwenden, war es relativ einfach, nun das Versagen<br />
des K nstlers zu behaupten: Ob es sich bei dem abstrakten Kunstwerk um eine Visualisierung<br />
geistiger, objektiver Werte handelt oder um eine vordergr ndige Pinselei, war<br />
schließlich im Rahmen dieser diskursiven Logik einzig an der Pers nlichkeit des Malers<br />
meßbar. Damit kann der K nstler auch zum (potentiellen) S ndenbock (vgl. auch Wyss<br />
1985, 323).<br />
Doch f r die weitere Codierung der abstrakten Malerei und vor allem das Allgemeinverst<br />
ndnis hatte sicherlich die allm hlich in Europa bekannt werdende nstlerische Entwicklung<br />
in den USA eine weit gr ere Bedeutung. Die amerikanischen Abstrakten Expressionisten<br />
stellten die installierten Anforderungen an Ordnung und Formung weitaus<br />
st rker noch als die K nstler der Quadriga in Frage, und sie konnten damit einen zunehmend<br />
s rbaren internationalen Erfolg verbuchen. Unter diesem Einfluß scheinen zur<br />
Demonstration des „Eigenen“, „Deutschen“ selbst die tradierten diskursiven Geschlech-<br />
38 Hans Weigert: Die Kunst am Ende der Neuzeit. T bingen 1956, 170. Der Autor war im NS Prof. f r<br />
Kunstgeschichte an der Universit t Breslau f r mittelalterliche Plastik und Architektur und trat 1934<br />
und 1937 mit Artikeln ber aktuelle nationalsozialistische Kunst hervor (vgl. Wulf 1989, 165 und<br />
355 f.). Offensichtlich versteht er sich auch noch nach 1945 als Wahrer der „Kulturnation“.<br />
39 Freunde der gegenstandslosen Kunst sahen das allerdings anders. Anna Klapheck urteilt: „Mit dem<br />
deutschen Wirtschaftswunder ging das deutsche Kunstwunder im Gleichschritt. Aus Tr mmern und<br />
Notbehelf erwuchs eine Kunst, die alle Zeichen von Wohlstand, Spielfreudigkeit und Materialf lle in<br />
sich trug.“ (1979, 12)