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Kapitel 2<br />
waren. Von den US-Amerikanern wurde der Faschismus „aus dem deutschen<br />
Volkscharakter, aus der kulturellen oder philosophischen Tradition Deutschlands erkl rt<br />
und als moralische Krankheit verstanden“ (Held 1981, 10), durch die „Umerziehung“<br />
hofften sie einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einem demokratischen Verst ndnis zu<br />
unterst tzen (vgl. Schmidt/Fichter 1971, 136). Dem kulturellen Bereich wurde im Rahmen<br />
dieser Reeducation eine immense Bedeutung zugesprochen (vgl. Glaser 1990, 126).<br />
Die positive Einsch tzung der klassischen Hochkultur, so zeigt sich an der großen Resonanz<br />
des Publikums und dem Engagement der K nstler und Kunstvermittler, wurde von<br />
der deutschen Bev lkerung geteilt. Schon 1944 hatte beispielsweise Anna Klapheck in<br />
den D sseldorfer Nachrichten hervorgehoben: „Auch wir Heimatlosen wissen, daß die<br />
große Heimat deutschen Geisteslebens unverlierbar ist.“ (1979, 16) Diese Einstellung<br />
berdauerte das Kriegsende. Hermann Glaser, Jahrgang 1928, erinnert sich: „Am deutschen<br />
wahren ('goetheanischen') Wesen konnte, wenn schon nicht mehr die Welt, so aber<br />
doch das daniederliegende Deutschland wieder genesen. Pflege unseres Kulturgutes, hieß<br />
die aufbauende, Schuld und Scham aufhebende Parole. Wohlan - heran ans deutsche<br />
Schatzk stlein!“ (1990, 101) Einstimmig wurde nach dem Krieg die Pflege der kulturellen<br />
Werte als „R ckbesinnung“ definiert. Glaser beschreibt diesen R ckgriff auf „tiefere<br />
Wahrheiten“ auch als Wertekanon f r Zukunftsperspektiven: „Gemeinsam ist fast allen<br />
Reformpl nen, daß sie drei Grundwerte an die Spitze stellen: Humanismus, Christentum,<br />
Demokratie. Diese werden mehr interpretiert als erg nzt durch die anderen erkenntnisleitenden<br />
Begriffe: Antike, Kultur, Abendland; Religiosit t, Sittlichkeit, ewige Werte; Freiheit,<br />
soziales Denken, Selbst ndigkeit.“ (156) Mit dem Bezug auf die „alten“, „echten“<br />
kulturellen Werte ließ sich die Auseinandersetzung mit der j ngsten politischen Geschichte<br />
und Tradition umgehen. So sah auch z. B. Theodor Heuss in seiner Rede ber<br />
Die deutsche Nationalidee im Wandel der Geschichte 1946 2 den „deutschen Geist“ als<br />
Basis einer nftigen politischen Neuordnung (vgl. Heuss 1950, 10). Er umfasse die literarischen<br />
Klassiker (vgl. 10) und eine „Formung durch Antike und Christentum. Beide<br />
sind eingeborene Elemente unseres nationalen Werdens und Seins gewesen und geblieben,<br />
auch wenn sie vom Wortschwall der Tagesrede berschwemmt worden sind.“ (31) 3<br />
2 Diese Rede hielt Heuss in seiner Funktion als Kultminister von W rttemberg-Baden am 27. Mai 1946<br />
im Rahmen einer Vortragsreihe mit dem Motto „Besinnung“ vor Studenten der Universit t T bingen<br />
(vgl. Heuss 1950, 32).<br />
3 Noch 1952 sagt Heuss anl ßlich der Hundert-Jahr-Feier des Germanischen Museums in N rnberg:<br />
„Ich m chte glauben, daß gerade unsere Generation, unsere Gegenwart dies begreifen wird, die wir<br />
auch das Zerschlagenwerden und das noch Getrenntsein von Staatsapparaturen erlebt haben und