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Abstrakte Kunst und Wirtschaftswunder 181<br />
und die Kultur. Er beschwert sich ber die Tatsache, daß Kulturdezernenten ernannt<br />
werden, die nichts mit Kunst zu tun haben, sondern beispielsweise Juristen sind. Dies sei<br />
„Ausdruck des Wandels, der sich im Macht- und Wertgef e unserer Gesellschaft vollzieht,<br />
unsichtbar fast, doch mit unheimlicher Stetigkeit. Die Achtung vor dem Sch pferischen<br />
ist dem Respekt vor der bermacht der großen Funktionsgebilde gewichen, und<br />
die M nner am Schaltbrett des 'Apparats', um mit Burnham zu sprechen: die Manager<br />
rangieren im ffentlichen Bewußtsein weit, weit vor dem Autor, der 'im Chaos neue<br />
Welten sieht'.“ Es bleibt zu fragen, ob die Betroffenen selbst dies nicht anders sahen und<br />
das ihnen hiermit abgesprochene „Sch pferische“ nicht auf andere Weise wiederzuerlangen<br />
hofften.<br />
Statt einer Abgrenzung formulieren die Vertreter der ungegenst ndlichen Kunst eine<br />
Koalition mit der neuen herrschenden Gesellschaftsschicht. Schon Hilla Rebay hatte die<br />
Manager als eine ihrer Zielgruppen definiert (siehe S. 120). Der Recklinghausener Ansatz<br />
versucht aber eine noch weitergehende Ann herung: Eine Perspektive auf die moderne<br />
Kunst, die sie zun hst als profanen Bereich erlebt, erschloß dieses neue und die erste<br />
Gruppe zahlenm ßig mit Sicherheit weit bersteigende Publikum in denjenigen, die zwar<br />
die modernen Gebrauchsgegenst nde als Statussymbole des Konsums guthießen und<br />
benutzten, zu der modernen Kunst allerdings noch keinen Zugang hatten. Die in Recklinghausen<br />
ausgestellten Gebrauchsgegenst nde - z. B. technische Ger te, M bel,<br />
Hausrat - waren nicht nur die Grundlage des wirtschaftlichen Aufstiegs dieser neuen<br />
Elite, sondern außerdem Gegenst nde, deren Konsum bzw. Gebrauch hohes Sozialprestige<br />
versprach und die von allen Schichten der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“<br />
erstrebt wurden. Nicht zuletzt dienten diese Gegenst nde, wie schon angedeutet, als<br />
sichtbares Zeichen der Differenzierung von der DDR, wo „modern“ geformte Gebrauchsgegenst<br />
nde noch nicht in diesem Maße zug nglich waren.<br />
Der Konsum, so kann man der Recklinghausener Ausstellung unterstellen, sollte dieser<br />
neuen bzw. ver nderten Zielgruppe die Kunst vermitteln. Dieses Angebot scheint seine<br />
Abnehmer gefunden zu haben. Jost Hermand beschreibt die Anh nger der abstrakten<br />
Kunst als „eine h chst diffuse Schicht von freischwebenden Intellektuellen, Amerika-<br />
Fans, anpassungsbereiten Journalisten, sthetischen Nonkonformisten, modischen Snobs,<br />
allem Politischen mißtrauenden Malern, mit dem Schein des Neuen leicht zu verf hrenden<br />
Jugendlichen sowie jenen Managern, Freiberuflichen und h heren Angestellten, die<br />
sich ihre Wohnungen damals im 'magnum'-Stil einrichten ließen. Jedenfalls war die<br />
Tr gerschicht dieser Kunst nicht mehr die verm gende und zugleich bildungsbeflissene