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Mit abstrakter Kunst auf dem Weg zur ck in die Zivilisation 139<br />
eine solche Ansicht glaubhaft zu machen. Rebay tut sich wesentlich leichter, sie argumentiert<br />
aus der r umlichen Distanz und aus einer sicheren, selbstbewußten Ausgangsposition.<br />
Mit ihrer unumschr nkten Bewunderung des technischen Fortschritts, der nach<br />
ihrer Argumentation Indikator eines geistigen Fortschritts ist, begibt sie sich f r deutsche<br />
Verh ltnisse aber auch auf Glatteis. Ihr verhaltener Vorstoß in Richtung einer<br />
Verkn fung der abstrakten Kunst mit einem hohen materiellen Lebensstandard l ßt sich<br />
im Grunde nur als argumentativer Unfall mit weitreichender Wirkung erkl ren, denn hier<br />
droht der gef hrliche Vergleich mit dem Kunstgewerbe. 61 Auch die Unbeschwertheit, die<br />
Kurt Martin der ausgestellten Kunst im Vorwort bescheinigt (vgl. 1948, 7), liegt in allzu<br />
gef hrlicher N he zu dem beliebten Vorwurf, abstrakte Kunst sei nur Muster, nur Kunstgewerbe.<br />
Gegen diesen Eindruck meinen auch die Rezensenten der Ausstellung argumentieren<br />
zu m ssen, indem sie betonen, daß „es ja keineswegs um eine geschmackliche<br />
Dekorierung von Leinwand“ (Werner 1948) gehe. Rebay argumentiert hart entlang der<br />
Grenze zur doppelten Bedrohlichkeit des technischen Fortschritts: F r das traditionelle<br />
Bildungsb rgertum, dessen Gedankengut in der Nachkriegszeit reproduziert wird, galt er<br />
als Bedrohung ihres Weltbildes, f r viele Menschen war Technik außerdem mit der skrupellosen<br />
T tungsmaschinerie im Nationalsozialismus verbunden.<br />
Erstaunlicherweise war die Kritik an Rebays ußerungen dennoch klein; in dieser verklausulierten<br />
Form war ihre Meinung offensichtlich ertr glich. Erst 1950 geriet sie mit<br />
ihren Ansichten ins Kreuzfeuer der Kritik, als sie aus Entt uschun ber die ihrer Meinung<br />
nach zu geringe Resonanz der abstrakten Kunst in Deutschland in der Zeitschrift<br />
Das Kunstwerk schrieb: „Es ist wirklich schade, daß die Bomben nicht gr ndlicher gearbeitet<br />
haben, das Alte zu vertilgen, so daß nun endlich unsere eigene Zeit sich auswirken<br />
kann.“ (Rebay 1950) Dieser Satz brachte ihr eine polemische Antwort von Kurt Kusenberg<br />
ein, der ihr „infantile Grausamkeit“ und „Kinderkriminalit t“ vorwarf und gleichzeitig<br />
ihre „amerikanischen Unterrichtsbriefe“ kritisierte (Kusenberg 1950). Dieser versp -<br />
tete Verriß, in dem auch die Ausstellung als „hom pathische Ver nnung“ verurteilt<br />
wurde, blieb ein Einzelfall. Er f hrte keineswegs dazu, daß die Fortschrittlichkeit nicht<br />
als positiver Begriff in die Nachkriegszeit eingegangen w re. Auch Beat Wyss hat dieses<br />
Ph nomen verwundert konstatiert: „Erstaunlicherweise berstand das Wort den Zweiten<br />
Weltkrieg unbesch digt. Kaum war der Schoc berwunden und die Tr mmer beseitigt,<br />
nahm der Fortschritt wieder seinen alten Lauf.“ (1985, 317)<br />
61 Die „exzentrischen Entw rfe“ der K nstler ohne nstlerische Seele „geh ren auf Tapeten, nicht in<br />
den Bereich der Kunst“, schrieb Rebay selbst (zit. nach ZEN 49 1986, 309).