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Kapitel 3<br />
mit abstrakter Kunst umgibt. 50 Das passive Erleben des Rezipienten der ungegenst ndlichen<br />
Kunst wird von Rebay zu einem einsamen Vorgang ernannt, ber den man keine<br />
Rechenschaft ablegen muß. Man versichert sich einander in der Gruppe der Bef rworter<br />
der abstrakten Kunst nicht mehr durch ein gemeinsames Kunsterlebnis und den Austausch<br />
dar ber, sondern allein durch den (behaupteten) Umgang mit und das<br />
(behauptete) Verst ndnis der ungegenst ndlichen Kunst. Klassenziel ist nicht mehr der<br />
Beweis einer Abkehr vom NS - die hatten die westlichen Alliierten im Rahmen der Massenamnestien<br />
bereits amtlich bescheinigt -, sondern die Demonstration einer erfolgreichen<br />
Genesung. Beweis aber f r diese Wandlung, f r diese Teilhabe an einer „geistigen<br />
Sch nheit“ und die Genesung vom NS ist, vermittelt durch den Umgang mit ungegenst<br />
ndlicher Kunst, die „Ordnung“ des Lebens und der zivilisatorische Fortschritt des<br />
Landes. Diesem „Umgang“ mit abstrakter Kunst aber ist theoretisch ein Status zuzuordnen,<br />
der - nach der „Hingabe“ und somit der symbolischen Anerkennung der diskursiven<br />
Regeln - dem der aktiven Teilhabe am Diskurs nahekommt und ebenfalls eine Form der<br />
Identit t garantiert.<br />
Rebay gibt ihren Lesern ein Mittel an die Hand, sich mit Hilfe der ungegenst ndlichen<br />
Kunst mit dem Leben trotz aller Widers che zu arrangieren. Domnick hoffte noch auf<br />
eine neue Gesellschaft aus individuellen Auch-K nstlern, die auf dem Weg in eine neue<br />
Epoche oder Zeit vorangehen. Die politische Aufbruchstimmung der ersten Jahre nach<br />
1945 in Deutschland findet in Rebays Erl uterungen, die ungebrochen das sp tkapitalistische<br />
Denken des Westens spiegeln, keinen Widerhall. Sie proklamiert hingegen auf der<br />
Basis der Erfahrungen in den USA ein Modell des Aushaltens, das allerdings als Handlungsanleitung<br />
zur Ordnung und Disziplin nicht minder politisch ist.<br />
Von marxistischer Seite wurde die ungegenst ndliche Kunst der Aufgabe jeglicher politischer<br />
Anspr che angeklagt. Die Flucht aus der kapitalistischen Wirklichkeit in die vergeistigte<br />
Innenwelt, so Farner 1950 (1970, 21), beinhalte keinerlei oppositionelles Potential.<br />
„Das System als Ganzes wird [...] nicht angetastet, im Gegenteil, es wird durch<br />
'geistige Heilung' zu erhalten gesucht.“ (158) Kunst sei nur mehr eine moralische Aufr -<br />
stung als Ersatz f r gesellschaftliche Ver nderungen (vgl. 159). Doch die Kritik Farners<br />
zeigt nur einmal mehr, wie sehr Kunst als relevanter Faktor in der gesellschaftlichen Ent-<br />
50 Rebay bestand dabei keineswegs auf Originalen, sondern propagierte Zeit ihres Lebens die Verbreitung<br />
von Kunstreproduktionen. Sie legte im Museum of Non-Objective Paiting etliche Drucke von<br />
ungegenst ndlichen Bildern auf und legte diese Abbildungen auch ihren Care-Paketen bei. Es handelt<br />
sich um ca. DIN A 4 große farbige Reproduktionen auf einem silbernen Grund (Privatarchiv Wessling).