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Textdokumentation<br />
Seit einigen Jahrzehnten jedoch scheint sich auch in der amerikanischen Malerei eine neue Entwicklung<br />
herauszubilden, die wie der Roman, jedoch mit geringerer Wirkung auf Europa, danach strebt,<br />
das Besondere des Amerikanischen nstlerisch zu verarbeiten. Nach der ganzen gesellschaftlichen<br />
Struktur der USA berrascht es nicht, daß die Museen in diesem Prozeß eine wesentliche Rolle spielen,<br />
nicht nur wegen ihres außerordentlichen Besitzes, der ein Kulturbewußtsein zu f rdern, ja zu bestimmen<br />
vermag, auch wenn er nicht aus der eigenen Tradition des Landes hervorgegangen ist, sondern ebensosehr<br />
durch die gestellte Aufgabe, die fast ausschließlich erzieherisch verstanden wird. Nur so l ßt sich<br />
erkl ren, daß selbst moderne und modernste Kunst nicht von einer kleineren oder gr ßeren Vereinigung<br />
von K nstlern getragen und vertreten wird, sondern wesentlich von Museen, die als die aktiven Kr fte<br />
vor der ffentlichkeit und f r sie wirken. In diesem Sinne ist das Museum of Non-Objective Painting in<br />
New York nicht nur wegen seines Inhaltes und der von ihm vertretenen Kunstauffassung, sondern gerade<br />
auch in Hinsicht auf die bewußte Aktivit t seiner publicity eines der fortschrittlichsten der Welt.<br />
F r deutsche Betrachter und wohl auch f r europ ische, die an eine Tradition gew hnt und zugleich von<br />
ihr belastet sind, muß es berraschend sein, ein großes Museum mit Hunderten von gegenstandslosen<br />
Bildern zu durchwandern und zu erfahren, daß diese Kunst ihr aufnahmebereites und keineswegs snobistisches<br />
[Seite 7:] Publikum gefunden hat, wie dies mit statistischer Gr ndlichkeit und amerikanischer<br />
Offenheit aus den Museumsberichten hervorgeht.<br />
Die gegenstandslose Malerei, so genannt im Gegensatz zu abstrakter Malerei, die immer vom<br />
Gegenstand ausgeht und diesen Gegenstand mehr oder weniger "abstrahiert", erhielt von Deutschland<br />
ihre entscheidenden Impulse. Kandinsky hat in M nchen und sp ter am Bauhaus in gemeinsamer T -<br />
tigkeit mit Moholy-Nagy und schließlich in Berlin wesentliche Jahre seines Schaffens und seiner Entwicklung<br />
erlebt. In Berlin wirkten lange Zeit auch Rudolf Bauer und Hilla Rebay, die dann in New York<br />
mit der Unterst tzung von Solomon R. Guggenheim und neben ihrer eigenen nstlerischen Arbeit eine<br />
ebenso bedeutende wie umfangreiche Sammlung zusammenbrachte, sie zum Museum of Non-Objective<br />
Painting vereinigte, das sie selbst mit erstaunlicher Tatkraft und Umsicht leitet, um ihm jetzt nach<br />
einem außerordentlich interessanten Projekt von Frank Lloyd Wright seine en ltige Gestalt in der<br />
Fifth Avenue zu geben.<br />
Der Durchbruch zur gegenstandslosen Malerei ist eine europ ische Leistung, in ihre Entwicklung<br />
aber hat sich Amerika selbst ndig und tragend eingef t. Denn das Amerikanische, das aus dieser Malerei<br />
spricht und sie von der gleichartigen europ ischen unterscheidet, scheint mir in einer optimistischen<br />
Grundhaltung zu liegen. Man will dem Betrachter innere Freiheit und Unabh ngigkeit, Freude<br />
und Genuß vermitteln, man w nscht ihn zu erheben. Vielleicht ergibt sich aus dieser Grundhaltung<br />
heraus jenes Ausgleichende, das bei aller Verschiedenheit der einzelnen Pers nlichkeiten das Gemeinsame<br />
in dieser Ausstellung ist, wobei wir uns bewußt sind, daß die Betonung der "musikalischen M g-<br />
lichkeiten" in der bildenden Gestaltung diesen Eindruck f rdert. Es [Seite 8:] ist deshalb kein Zufall,<br />
wenn das Museum of Non-Objective Painting gerade diese nstlerischen Probleme besonders untersucht,<br />
um so die gegenstandslose Malerei mit Tanz, Film, B hne und nicht zuletzt mit der Musik selbst<br />
zu verbinden. 3<br />
3 Kurt Martin bezieht sich hier auf die vom Museum zwischen 1942 und 1952 finanzierte Arbeit von<br />
Charles R. Dockum und Thomas Wilfred an einem "Farb-Organ". Roland von Rebay, Hilla Rebays<br />
Neffe, der 1948-52 zusammen mit seiner Tante das Projekt verfolgte, er hlte mir in einem Gespr ch<br />
im Fr hjahr 1989, es habe sich um eine Multimedia- bzw. Diashow gehandelt. Mit Hilfe einer<br />
ausgekl elten Maschine habe Dockum versucht, auf einer Leinwand wechselnde Farbkombinationen<br />
zu projizieren. Mit heutiger Video- und Computertechnik sei das kein Problem mehr, die Zeit sei aber<br />
damals noch nicht reif f r solch ein Projekt gewesen und deshalb habe es scheitern m ssen (vgl. auch<br />
Lukach 1983, 225). Rebay richtete auch das Guggenheim Film & Light Institute am Museum ein, das<br />
ein Archiv f r ungegenst ndliche, experimentelle Filme und ein Studio umfaßte. Hierbei st tzte sie<br />
sich auf die Ideen Hans Richters und Oskar Fischingers, von denen sie auch viele Arbeiten f r das<br />
Archiv erwarb.