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Vom Kunstwunder zum Fr uleinwunder 195<br />

zierung - heute meist eine stromlinienhafte Vereinfachung und gleichzeitige Aufbl hung -<br />

angebracht wird, sei dies nun beim Gebrauchsgegenstand, oder im Staat -, im kleinen wie<br />

im großen. Diese neue oder alte Art der Verzierung gef llt uns nicht, wir wollen sie<br />

nicht. Wir setzen ihr die Idee der guten Form entgegen, vom kleinsten Gegenstand bis<br />

zur Stadt.“ (1952, 10, Hervorhebung KB) Der Stromlinienstil aber „nimmt heute schon<br />

den Platz ein, den fr her das Ornament inne hatte. [...] Es ist nicht auszudenken, welche<br />

verheerende Folgen der falsch verstandene Stromliniendekorativismus im Automobilbau<br />

[...], in Wohnungsbau und Einrichtung auf die Dauer haben wird. Es sieht so aus, als ob<br />

durch die Einwirkungen solchen gesch ftst chtigen Zuckergusses der en ltige Kulturzerfall<br />

nicht mehr aufgehalten werden k nnte.“ (46)<br />

Die Stromlinie be nstige, so lauteten die Vorw rfe, eine oberfl hliche, nivellierende,<br />

monotonisierte Massenkultur, die keine Individualit t und keine Identit t mehr zulasse<br />

(vgl. Bignens 1992, 72). Tats hlich scheinen aber die industrielle Massenproduktion -<br />

die eine Inflation des Prestigewertes dieser Gegenst nde mit sich brachte - und der Einsatz<br />

neuer, „unechter“ Werkstoffe diese Grenze weit eher zu charakterisieren als rein formale<br />

Unterschiede, die im Einzelfall oft schwer zu bestimmen sind. 15 Abb. 56 gibt eine<br />

Seite aus dem zitierten Buch Form wieder. Das Steingutgeschirr mit den geschwungenen<br />

Formen ist als Beispiel f r eine „gute“ Form angegeben. Abb. 57 mit Glasvasen zeigt<br />

ebenfalls „gute“ Formbeispiele, die z. B. mit der Plastik von Bill (Abb. 58) vergleichbar<br />

sind. „Stromlinienform“ ist also als eine Konstruktion zu verstehen, die zur Begr ndung<br />

einer neuerlichen Hierarchie diente. Diese Hierarchie zwischen moralisch<br />

hochstehender, 16 „guter Form“ und ausgegrenzter Stromlinienform 17 bezeichnet eine<br />

theoretische Verschiebung der traditionellen und in der Nachkriegszeit erneuerten<br />

Grenzziehung zwischen „hoher“ und „niedriger“ Kunst in das Design. Bis auf wenige<br />

Ausnahmen wie z. B. die Recklinghausener Ausstellung Mensch und Form unserer Zeit<br />

wurde in der Debatte ber die „hohe“ Kunst das Design als minderwertig ausgeklammert;<br />

durch eine m gliche berschneidung beider Bereiche in der „guten“ Design-Form,<br />

15 Brigitte Selden (1992, 121) betont vor allem die Gemeinsamkeiten wie die homogene, berschaubare<br />

Form, die Gl tte der Oberfl che und die Erkennbarkeit der Funktion.<br />

16 „Bis weit in die f nfziger Jahre beurteilten Designer ihre Entw rfe nach moralischen Kriterien. Dinge<br />

des Alltags sollten t chtig sein, ohne Eitelkeit, ohne Betrug und T uschung“, schreibt auch<br />

Borngr ber (1985, 228).<br />

17 ... die m. E. eine der Ursachen daf r ist, daß noch 1979 in einem Buch ber die politische Kultur der<br />

Bundesrepublik von der nstlerischen „Stillosigkeit der f nfziger Jahre“ gesprochen wird (vgl.<br />

Greiffenhagen 1979, 53).

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