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Textdokumentation<br />
Man versteht, warum eine Trennung in der Beurteilung zwischen Pers nlichkeit und Werk gar<br />
nicht m glich ist. Es mag heute noch schwierig sein, in abstrakten Bildern das Echte vom Blendwerk zu<br />
trennen, also das Gewachsene vom Gemachten. Wenn auch zugegeben wird, daß Scharlatanen geschmackvolle<br />
Bilder gelingen k nnen, so vergessen diese Naiven dabei, daß ihr Kind dieselben Z e<br />
tr gt, also auch blendet. Und wenn sie hoffen, das Kind w rde sich sp ter vom Vater distanzieren und in<br />
die Reihe der Großen eingehen, so irren sie, denn die andern lassen dieses rachitische Wesen nicht am<br />
Leben. Das ist die nat rliche Auslese. "Nur aus einer reinen Seele kann ein wahrhaftes Kunstwerk hervorgehen",<br />
sagt Caspar David Friedrich und Schopenhauer ereifert sich ber diese "Nachahmer, Manieristen,<br />
Imitatores, die in der Kunst vom Begriff ausgehen; sie merken sich, was an echten Werken<br />
gef llt und wirkt, machen es sich deutlich, fassen es im Begriff auf und ahmen es nun offen oder versteckt<br />
mit kluger Absichtlichkeit nach. Sie saugen, gleich Parasiten den Pflanzen, ihre Nahrung aus<br />
fremden Werken und tragen gleich Polypen die Farbe ihrer Nahrung". Die abstrakte Kunst verlangt eine<br />
reine Seele und ein hohes K nstlertum. Beides ist selten. Deswegen gibt es auch so wenig gute Bilder.<br />
Man wird als K nstler geboren oder ist keiner. Die wesentlichen Anlagen m ssen vorhanden<br />
sein. Keine Schule, kein Fleiß, keine Protektion k nnen [Seite 110:] daran etwas Grunds tzliches n-<br />
dern. Verbotene Kunst ber hrt nicht eigentlich den K nstler. Jahre der Abgeschiedenheit f hren h chstens<br />
zu Verdichtung und Verinnerlichung. Aus diesem Grunde k nnen wir auch keine entscheidende<br />
Beschr nkung der Kunstkraft durch die Jahre der Diktatur anerkennen, nur insofern, als vielleicht eine<br />
pers nliche F rderung oder materielle Unterst tzung hemmende Umweltfaktoren ausschalten. Niemals<br />
l ßt sich aber eine sch pferische Kraft, wenn sie vital ist, verdr ngen. Im Gegenteil, Widerstand st rkt<br />
die Kraft, Kraft mißt und entfaltet sich erst am Widerstand. Manche K nstler erleben deswegen jetzt in<br />
ihrer Freiheit eine sterile Phase, sie waren nur stark im Widerstand. Außerdem bestimmt die seelische<br />
Anlage das Verhalten. Starke hielten durch, Schwache fielen um. Aber das klingt etwas nach pers nlichem<br />
Verdienst, was es ja nicht ist. Alle unsere guten und schlechten Eigenschaften sind latent vorhanden<br />
und wir bem hen uns dauernd im Leben, mit ihnen fertig zu werden, auch mit den guten. Ein fleißiger<br />
Mensch muß fleißig sein, weil er ohne die Erf llung dieses T tigkeitsdranges ungl cklich w re.<br />
Ein Landstreicher muß vagabundieren, ohne diese Triebbefriedigung k nnte er nicht leben. Ein Maler<br />
muß malen. Dadurch ist unser Leben ja doch irgendwie vorgezeichnet. Selbstverst ndlich kann aus einer<br />
Anlage etwas entwickelt werden, aber nicht alles darf man auf das Konto Fleiß oder Z higkeit buchen,<br />
denn auch diese Eigenschaften sind vorgebildet. Es gibt fleißige und faule Maler, ohne daß dadurch die<br />
Qualit t des Werkes ber hrt wird. Es gibt K nstler mit starkem und solche mit schwachem Willen,<br />
leicht beeinflußbare und eigenwillige K pfe. Alle Nuancen seelischer Anlage sind vertreten, die sich<br />
wiederum im Werk in jedem Pinselstrich ausdr cken. Das zu erkennen, ist immer wieder eine reizvolle<br />
Aufgabe. Dadurch erf hrt das Werk ein weiteres Verst ndnis.<br />
Nat rlich geh rt eine starke Kraft und auch ein Glaube und eine Ueberzeugung dazu, Jahre der<br />
Verfolgung durchzustehen, umgekehrt bedeutet aber auch die geforderte Produktion zu Konjunkturzeiten<br />
eine Gefahr f r manchen Maler. Deswegen geh rt zu jedem K nstler eine Art Askese. Viele<br />
Avantgardisten haben zu ihren Lebzeiten in ihrem Werk keine Anerkennung gefunden, sind letztlich<br />
M rtyrer. Aber ihr Werk konnten sie nur erf llen, weil sie konsequent waren und deswegen ist die Konsequenz<br />
auch eine Forderung, die man an den echten K nstler stellen muß. Jede Form einer Konzession<br />
l ßt n mlich an der Notwendigkeit einer Kunstaussage Zweifel entstehen. Hunger und Krankheit, Not<br />
und Elend k nnen den Sch pfungsablauf nicht unterbrechen. Immer gehen wir von der Pers nlichkeit<br />
aus. Ist sie groß, ist auch das Werk groß, ist sie eigenwillig, ist es auch das Werk. Diese Menschen leben<br />
nach eigenen Gesetzen, sind Wegbereiter. Schw chere schließen sich an. Epigonen verbreiten den Stil,<br />
der unbewußt vom Meister geschaffen wurde. Aber in dieser bedingungslosen Konsequenz liegt eine<br />
Wurzel des Mißverst ndnisses, des Fehlurteils gerade in der abstrakten Malerei.<br />
Jedes Werk ist als "Selbstgespr ch" eine rein egozentrische Angelegenheit ohne unbedingte Tendenz,<br />
verstanden zu werden. "Gerade reine Kunst denkt [Seite 111:] so wenig an diese anderen, hat so