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Body and Soul in Ancient Philosophy

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Michael Erler<br />

krates’ bevorstehenden Tod. Sie wie auch der Wächter haben am<br />

philosophischen Gespräch nicht teilgenommen und deshalb ke<strong>in</strong>e<br />

Chance zu verstehen, warum Trauer und Klage über Sokrates’ Tod<br />

nicht berechtigt s<strong>in</strong>d, warum der Anlass – Sokrates’ bevorstehender Tod<br />

– für ihn ke<strong>in</strong> Übel ist. 26 Etwas <strong>and</strong>ers steht es mit Kriton. Er war Zeuge<br />

der Diskussion, hat aber offenbar dennoch nicht verst<strong>and</strong>en, dass die<br />

vernünftige Seele, nicht se<strong>in</strong> Körper das wahre Selbst des Sokrates und<br />

dass sie unsterblich ist. 27 Deshalb sorgt er sich um Sokrates’ Beerdigung<br />

und ist und bleibt unwillig (über Sokrates’ Tod). Er hat nicht verst<strong>and</strong>en,<br />

dass Furcht vor dem Tod und Trauer bei Sokrates unangemessen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Besonders <strong>in</strong>teressant ist die Figur des Phaidon. Ihm kommt im<br />

Dialog Platons ja e<strong>in</strong>e Doppelrolle zu: Zum e<strong>in</strong>en ist er Zuschauer und<br />

Teilnehmer der anti-tragischen platonischen Sokratestragödie; zum<br />

<strong>and</strong>eren ist er Erzähler des Geschehens, wobei er im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>druck und die Wirkung wiedergibt und kommentiert, welche die<br />

Hauptfigur und das Geschehen auf ihn machten. Wir erfahren also<br />

gleichsam <strong>in</strong>direkt, welche Wirkung sich Platon von der Vorführung<br />

e<strong>in</strong>es anti-tragischen Helden erwartet 28 – e<strong>in</strong>e wichtige Vorwegnahme<br />

bzw. Ergänzung zu dem, was wir <strong>in</strong> der Politeia über ideale Dichtung<br />

erfahren. Phaidon reagiert auf die Vorführung des anti-tragischen<br />

Helden Sokrates, wie Platon es verlangt. Denn Phaidon konstatiert, er<br />

habe bei der Betrachtung des Sokrates ke<strong>in</strong> Mitleid, ke<strong>in</strong>e Emotion<br />

empfunden, wie er es eigentlich erwartet hätte – und staunt darüber.<br />

Doch weiß er offenbar, warum er so reagiert. Er hat erkannt, dass<br />

Sokrates glücklich war und erwartet, auch weiterh<strong>in</strong> im Jenseits<br />

glücklich zu se<strong>in</strong> (Phd. 58e). Das Gespräch des Sokrates über die Unsterblichkeit<br />

der Seele hat ihn gelehrt, dass der Tod nicht zu fürchten<br />

und für Sokrates ke<strong>in</strong> Übel ist und dass dieser deshalb glücklich se<strong>in</strong><br />

kann. 29<br />

Platons wahre Tragödie über den Tod e<strong>in</strong>es Menschen bewirkt bei<br />

Phaidon also ke<strong>in</strong>e Stärkung der Emotionen, wie das bei Tragödien<br />

sonst der Fall ist und von Platon befürchtet wird, sondern stärkt im<br />

Gegenteil die rationale Seele Phaidons. Denn Phaidon hat erkannt, dass<br />

der Tod – die Ursache möglicher Emotionen – ke<strong>in</strong> Übel für den<br />

26 Halliwell 1984, 57 f.<br />

27 Vgl. Erler 2004, 113 ff.<br />

28 Vgl. Phd. 77e, wozu Erler 2004, 115 f.<br />

29 Vgl. Phd. 58d und 89a.

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