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Body and Soul in Ancient Philosophy

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Aporien <strong>in</strong> der aristotelischen Konzeption des Beherrschten 345<br />

E<strong>in</strong> Problem war, dass bei Aristoteles e<strong>in</strong>e klare Unterscheidung<br />

zwischen Hilfstugenden und eigentlichen ethischen Tugenden fehlt.<br />

Erstere enthalten ke<strong>in</strong> <strong>in</strong>haltliches Ziel, das sich <strong>in</strong> Tätigkeiten äußert,<br />

die <strong>in</strong> sich Freude machen, und entsprechend schwierig ist die Erklärung<br />

ihrer motivierenden Kraft.<br />

Die Mehrseitigkeit des phronÞsis-Begriffs stellt e<strong>in</strong> weiteres Problem<br />

dar. Die phronÞsis enthält erstens die de<strong>in</strong>otÞs, die Fähigkeit, mit Bezug<br />

auf beliebige Ziele zweckrational zu überlegen. Hier entspricht sie<br />

ungefähr der Überlegungsstruktur der technÞ, die von gegebenen Zielen<br />

ausgeht. Zweitens hat sie die Funktion der pronoia, die für die zeitliche<br />

Planung des Lebens zuständig ist. Diese geht über die bloße Zweckrationalität<br />

h<strong>in</strong>aus. Denn das zeitliche Leben des Individuums ist nicht wie<br />

e<strong>in</strong> technÞ-Produkt als abgeschlossene Ganzheit vorgegeben. Die Lebensdauer<br />

ist ebenso offen wie die künftigen äußeren Bed<strong>in</strong>gungen.<br />

Daher bedarf die Beurteilung der Frage, was man wann tun soll, nicht<br />

nur technischen Wissens, sondern der Urteilskraft und Lebensweisheit.<br />

Im Kontext der Hilfstugenden hat die phronÞsis diesen Aspekt der pronoia;<br />

sie muss falsche Schätzungen der Lust verh<strong>in</strong>dern, Rationalisierungen<br />

durchschauen, das künftige Wohl geltend machen. Die pronoia<br />

kann man ausüben auch ohne die Charaktertugenden. In deren Realisierung<br />

hat die phronÞsis e<strong>in</strong>e dritte Bedeutung, nämlich das Ziel, das <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Tugend enthalten ist, ihr spezifisches kalon, mit Bezug auf die<br />

Situationsbed<strong>in</strong>gungen zu artikulieren bzw. zu konkretisieren.<br />

Der Mehrseitigkeit der phronÞsis entspricht die schwankende Verwendung<br />

des Begriffs der boulÞsis, des Wunsches. Die boulÞsis ist im<br />

Kontext der Tugenden e<strong>in</strong>e Art dispositioneller Wunsch nach dem<br />

spezifischen Gut oder kalon e<strong>in</strong>er jeweiligen Praxis. Wie ich zu zeigen<br />

versuchte, müsste Aristoteles jedoch – ohne metaphysische Interpretationen<br />

des Mensch-Tier-Unterschiedes und der E<strong>in</strong>heit des Lebens –<br />

bemerken, dass die Hilfstugenden als Gegenkraft zur Begierde und zur<br />

Trägheit die Annahme e<strong>in</strong>er boulÞsis erfordern, die nicht bereichsspezifisch<br />

ist, sondern auf das Gel<strong>in</strong>gen des eigenen Lebens im Ganzen geht.<br />

Wenn diese boulÞsis unspezifisch und <strong>in</strong>haltlich offen ist, erklärt sich, dass<br />

ihre Motivationskraft dünner ist als die der Wünsche von Tugendspezifischen<br />

Gütern, und es zu Phänomenen wie akrasia kommen kann.<br />

Ähnlich müsste Aristoteles die phronÞsis so fassen, dass sie nicht an die<br />

ethische aretÞ gebunden bleibt. Denn sie hat im Kontext der Beherrschtheit<br />

z.B. abzuwägen zwischen s<strong>in</strong>nlichem Genuss und <strong>and</strong>eren<br />

gewünschten Gütern, die nicht die eupraxia zu se<strong>in</strong> brauchen. Diese<br />

Funktion der Abwägung und zeitlichen Ordnung hat sie auch mit

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