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Body and Soul in Ancient Philosophy

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Günther Patzig<br />

Über den Mechanismus der Informationsverarbeitung <strong>in</strong> den S<strong>in</strong>nesorganen<br />

und über die Weitergabe an das Zentralorgan sagt Aristoteles<br />

wenig. Se<strong>in</strong>e Grundthese ist, dass die Form, nicht die Materie der<br />

Außenweltobjekte von den Wahrnehmungsorganen aufgenommen<br />

wird (de An. II 12, 424a17 ff.), so „wie das Siegellack die Form des<br />

Siegelr<strong>in</strong>ges, aber nichts von se<strong>in</strong>er Materie aufnimmt“. Dies lässt sich<br />

zwanglos der heutigen Auffassung zuordnen, nach der <strong>in</strong> den elektrochemischen<br />

Kodierungen der Umweltreize im Wahrnehmungsapparat<br />

ausgewählte strukturelle Eigenschaften der Umwelt erhalten bleiben, die<br />

dann <strong>in</strong> den entsprechenden Zentren des Cortex entschlüsselt werden<br />

können. Auf den Erlebnisaspekt, auf die Dimensionen des Bewusstse<strong>in</strong>s<br />

und des Selbstbewusstse<strong>in</strong>s geht Aristoteles erst im Zusammenhang mit<br />

der Frage e<strong>in</strong>, woher wir eigentlich jeweils wissen, dass wir etwas sehen,<br />

wenn wir etwas sehen, und zweitens, wie wir die Verschiedenheit der<br />

Objekte verschiedener S<strong>in</strong>nesorgane, zum Beispiel e<strong>in</strong>e Farbe und<br />

e<strong>in</strong>en Geschmack, vone<strong>in</strong><strong>and</strong>er unterscheiden können. Diese Frage<br />

wird, freilich <strong>in</strong> Formulierungen, die letzte Deutlichkeit nicht erreichen,<br />

an der Stelle de An. III 2, 425b12 ff., beantwortet:<br />

Wenn wir etwas sehen, so s<strong>in</strong>d wir uns dessen bewusst, dass wir sehen. Dies<br />

Bewusstse<strong>in</strong> ist nicht selbst e<strong>in</strong> Sehen im gewöhnlichen S<strong>in</strong>ne, noch ist es<br />

e<strong>in</strong>e <strong>and</strong>ere spezifische Wahrnehmung; es gibt daher e<strong>in</strong>e spezifische<br />

Leistung des zentralen Wahrnehmungsorgans, die uns die Tätigkeit der<br />

S<strong>in</strong>nesorgane jeweils offenbar macht und präsentiert. Entsprechend ist es<br />

e<strong>in</strong>e Leistung dieses generellen S<strong>in</strong>nesorgans, der ,joimµ aUshgsir‘, dass wir<br />

die kategoriale Verschiedenheit der Objekte verschiedener S<strong>in</strong>nesorgane als<br />

solche erkennen können: Dass Weiß von Schwarz verschieden ist, das sehen<br />

wir; dass Weiß und Süß vone<strong>in</strong><strong>and</strong>er verschieden s<strong>in</strong>d, können wir weder<br />

sehen noch schmecken; aber es wird uns durch das beiden Wahrnehmungstypen<br />

geme<strong>in</strong>same Wahrnehmungszentrum präsentiert.<br />

E<strong>in</strong> weiterer e<strong>in</strong>schlägiger Text zu dieser These f<strong>in</strong>det sich auch im<br />

neunten Buch der Nikomachischen Ethik:<br />

Wer etwas sieht, nimmt zugleich wahr, dass er etwas sieht; wer etwas hört,<br />

nimmt zugleich wahr, dass er etwas hört. Wer geht, ist dessen gewahr, dass<br />

er geht, und entsprechend gibt es bei den <strong>and</strong>eren Aktivitäten etwas, das<br />

wahrnimmt, dass wir tätig s<strong>in</strong>d, also wahrnimmt, dass wir wahrnehmen,<br />

wenn wir wahrnehmen, und wahrnimmt, dass wir denken, wenn wir<br />

denken. Aber Wahrnehmen, dass wir wahrnehmen oder denken, ist<br />

Wahrnehmen, dass wir existieren; denn menschliche Existenz ist durch<br />

Wahrnehmen oder Denken def<strong>in</strong>iert, und Wahrnehmen, dass man lebt, ist<br />

etwas schon bloß für sich genommen Erfreuliches. (EN IX 9, 1170a29 ff.)

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