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Body and Soul in Ancient Philosophy

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254<br />

Günther Patzig<br />

Tiere haben neben diesen Fähigkeiten auch die Wahrnehmung, die<br />

Fähigkeit, etwas zu begehren (eqenir), und die Fähigkeit, sich zu bewegen.<br />

Aristoteles zeigt schön, dass hier wesentliche Funktionszusammenhänge<br />

bestehen: E<strong>in</strong> Tier, das sich bewegen kann, muss Wahrnehmungsorgane<br />

haben; was etwas wahrnehmen kann, kann auch den<br />

Unterschied zwischen angenehm und unangenehm registrieren und die<br />

Fähigkeit entwickeln, etwas, z. B. Nahrung, zu begehren und etwas<br />

Unangenehmem auszuweichen, und dies wiederum ist nur s<strong>in</strong>nvoll,<br />

wenn das Lebewesen auch die Fähigkeit hat, sich selbst zu bewegen (de<br />

An. III 12, 434a30 ff.).<br />

Aristoteles macht im ersten Buch von De anima klar, dass die bis<br />

dah<strong>in</strong> von <strong>and</strong>eren Philosophen entwickelten Konzepte des Verhältnisses<br />

von Seele und Körper der Sache nicht adäquat se<strong>in</strong> können:<br />

Nicht die Addition zweier e<strong>in</strong><strong>and</strong>er fremder D<strong>in</strong>ge oder Substanzen,<br />

wie bei Platon (oder Descartes), aber auch nicht die These von zwei<br />

Teilen, aus denen e<strong>in</strong> Ganzes wird, kann zur Grundlage e<strong>in</strong>er Seelenlehre<br />

gemacht werden. Man kann nicht sagen, dass e<strong>in</strong> Tier oder der<br />

Mensch aus e<strong>in</strong>em Körper und e<strong>in</strong>er Seele zusammengesetzt s<strong>in</strong>d, wie<br />

man auch nicht sagen könnte, dass e<strong>in</strong>e Vase aus Glas und ihrer Form<br />

zusammengesetzt ist. Zwischen Seele und Körper muss vielmehr e<strong>in</strong>e<br />

engere Verb<strong>in</strong>dung als die zwischen bloßen Teilen e<strong>in</strong>es Ganzen bestehen.<br />

Wenn jem<strong>and</strong> Zahnschmerzen hat und deshalb zum Zahnarzt<br />

geht, so kann man nicht, auf der Basis der Redeweise von zwei Teilen,<br />

aus denen e<strong>in</strong>e Person zusammengesetzt ist, sagen, se<strong>in</strong>e Seele habe<br />

Schmerzen und se<strong>in</strong> Körper bewege sich <strong>in</strong> Richtung auf den Zahnarzt.<br />

Es ist vielmehr dasselbe Individuum, derselbe Mensch, der Schmerzen<br />

hat und der deshalb zum Zahnarzt geht. Hören wir nun, sozusagen im –<br />

freilich verdeutschten – ,Orig<strong>in</strong>alton‘, wie Aristoteles über diese Probleme<br />

redet (de An. I 1, 403a2 ff.):<br />

Es gibt e<strong>in</strong> Problem h<strong>in</strong>sichtlich der Affektionen der Seele: S<strong>in</strong>d sie<br />

sämtlich zugleich auch Affektionen dessen, das diese Seele hat, oder gibt es<br />

solche, die alle<strong>in</strong> der Seele zukommen? E<strong>in</strong>e Antwort hierauf ist notwendig,<br />

aber nicht leicht zu geben. Es sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> den meisten Fällen, dass<br />

die Seele nicht ohne den Körper affiziert wird und aktiv werden kann: zum<br />

Beispiel Zorn empf<strong>in</strong>den, zuversichtlich se<strong>in</strong>, etwas begehren und überhaupt<br />

etwas wahrnehmen. Am ehesten könnte das rationale Denken der<br />

Seele alle<strong>in</strong> zukommen; aber wenn Denken so etwas wie Vorstellen<br />

(phantasia) ist oder wenigstens nicht ohne Vorstellungen auskommt, könnte<br />

auch Denken nicht ohne den Körper vorkommen.

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