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Body and Soul in Ancient Philosophy

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Ursula Wolf<br />

(ii) Besitzt der enkratÞs phronÞsis? Es bleibt noch zu erklären, wie der<br />

enkratÞs zur richtigen H<strong>and</strong>lung im konkreten Fall kommt. Die epithymia<br />

kann bei Menschen, die <strong>in</strong> Bezug auf die s<strong>in</strong>nliche Lust ke<strong>in</strong>e optimale<br />

Charakterdisposition besitzen, die praktische Überlegung, die zum<br />

H<strong>and</strong>lungsvorsatz bzw. der H<strong>and</strong>lung führt, verzerren. So jedenfalls<br />

kann man die ausgearbeitete Erklärung der akrasia verstehen, die Aristoteles<br />

<strong>in</strong> EN VII 5 gibt. Umgekehrt sagt er von der sôphrosynÞ, sie<br />

heiße so, weil sie die phronÞsis bewahre (1140b11 ff.). Ähnlich zeigt<br />

Platon <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Modell der akrasia im Protagoras, dass die Vorstellung<br />

gegenwärtiger Lust, weil diese größer ersche<strong>in</strong>t, zu e<strong>in</strong>em falschen<br />

Messen der künftigen Lust und so zu e<strong>in</strong>er falschen Abwägung der Lust<br />

und Unlust von H<strong>and</strong>lungsalternativen führt. Wie ist es dann möglich,<br />

dass der enkratÞs, der unangemessene Begierden hat, korrekt überlegen<br />

und das Ergebnis der Überlegung h<strong>and</strong>lungswirksam werden lassen<br />

kann?<br />

In der EE (1227b12 ff.) erörtert Aristoteles die Frage, ob die Tugend<br />

das Ziel bzw. den Vorsatz gut mache oder aber den logos, was hier wohl<br />

im S<strong>in</strong>n der praktischen Überlegung, des logismos, geme<strong>in</strong>t ist. Er entscheidet<br />

sich für ersteres und erklärt, für die Korrektheit der Überlegung<br />

sei vielmehr die enkrateia zuständig, die dafür sorge, dass der logismos<br />

nicht verdreht wird. 16 Wie passt das dazu, dass nach EN VI 13 Charaktertugenden<br />

und phronÞsis beide beim guten H<strong>and</strong>eln vorh<strong>and</strong>en se<strong>in</strong><br />

müssen und wechselseitig vone<strong>in</strong><strong>and</strong>er abhängen? Die beiden Aussagen<br />

stimmen nicht zusammen, und das liegt an der Eigenart des aristotelischen<br />

Begriffs der phronÞsis. Dass Aristoteles die praktische Klugheit als<br />

Fähigkeit, mit Bezug auf das gute Leben <strong>in</strong>sgesamt gut zu überlegen, im<br />

Unterschied zur de<strong>in</strong>otÞs an das Vorliegen der ethischen Tugenden<br />

b<strong>in</strong>det, passt nicht dazu, dass die phronÞsis e<strong>in</strong>e der aretai des <strong>in</strong>tellektuellen<br />

Seelenteils ist und <strong>in</strong>tellektuelle Vermögen zunächst h<strong>in</strong>sichtlich<br />

praktischer Ziele neutral s<strong>in</strong>d. 17 Insofern bleibt die Unterscheidung von<br />

phronÞsis und de<strong>in</strong>otÞs bedenklich. Und für die phronÞsis, sofern sie den<br />

Aspekt der pronoia, der zeitlichen Planung des Lebens hat, sche<strong>in</strong>t es<br />

auch phänomenal unangemessen, sie auf ethische Inhalte festzulegen.<br />

Das sieht <strong>and</strong>ers aus für diejenige phronÞsis, die, wie man sagen<br />

könnte, Mimesisfunktion hat, d. h. für konkrete H<strong>and</strong>lungssituationen<br />

zu artikulieren hat, welche H<strong>and</strong>lung das kalon im jeweiligen Bereich<br />

weitest möglich realisiert. Was diese metaphysische Fundierung der<br />

16 Zur Interpretation der Stelle s. auch Woods 1982, 154 sowie Kenny 1979, 83.<br />

17 So auch Kenny 1979, 85.

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