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hochautomatisiertes-fahren-auf-autobahnen,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true
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Nebentätigkeiten<br />
Motivation des hochautomatisierten Fahrens ist, neben einer Erhöhung der<br />
Verkehrssicherheit, es dem Fahrer zu ermöglichen, während einer hochautomatisierten<br />
Fahrphase Nebentätigkeiten nachzugehen. Nebentätigkeiten, wie sie im Rahmen von<br />
hochautomatisiertem Fahren ermöglicht werden sollen, betreffen regelmäßig solche,<br />
bei denen die Aufmerksamkeit des Fahrers zum Großteil der Nebentätigkeit gewidmet<br />
ist und bei denen oftmals auch die Hände für fahrfremde Tätigkeiten eingesetzt<br />
werden dürfen (Schreiben von Emails, Betreiben von Computerspielen, Betrachten von<br />
Filmen etc.), denn hierdurch lässt sich der Komfort des Fahrens steigern.<br />
Nebentätigkeiten stellen aber auch solche Tätigkeiten dar, bei denen der Fokus des<br />
Fahrers grundsätzlich weiterhin auf dem Verkehrsgeschehen liegt, jedoch nebenbei<br />
auch Tätigkeiten ausgeführt werden, die kaum, kurzfristig oder mit nur geringer<br />
Intensität vom Verkehrsgeschehen ablenken können und bei denen zumindest eine<br />
Hand oftmals am Lenkrad verbleibt (bspw. Gespräch mit dem Beifahrer, Einstellen des<br />
Rückspiegels oder der Blick in die Landschaft). Nach derzeit geltender Rechtslage sind<br />
der StVO – mit Ausnahme der Mobiltelefonbenutzung in § 23 Abs. 1a StVO – keine<br />
ausdrücklichen Verbote von Nebentätigkeiten zu entnehmen. Aufgrund der Vielzahl<br />
möglicher Nebentätigkeiten während einer Autofahrt (Trinken, Essen, Bedienung des<br />
Navigationssystems, Gespräche mit den Mitfahrern etc.) erscheint eine aufzählende<br />
Normierung verbotener – weil vom Verkehrsgeschehen ablenkender Tätigkeiten – auch<br />
nicht möglich. Jedoch ist in § 23 Abs. 1 S.1 StVO normiert, dass der Fahrzeugführer<br />
dafür verantwortlich ist, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch im Gesetz<br />
aufgezählte Faktoren beeinträchtigt werden dürfen. § 1 Abs. 1 StVO fordert die<br />
ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht bei der Teilnahme am Straßenverkehr<br />
und nach Abs. 2 hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer<br />
geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen vermeidbar behindert oder<br />
belästigt wird. Diesen Normen ist zu entnehmen, dass fahrfremde Nebentätigkeiten nur<br />
in einem solchen Umfang ausgeführt werden dürfen, wie eine gefahrenträchtige<br />
Ablenkung vom Verkehrsgeschehen und damit eine Gefährdung anderer nicht<br />
stattfindet. Verstöße gegen § 1 Abs. 2 StVO können als Ordnungswidrigkeit geahndet<br />
werden gemäß § 49 Abs. 1 S. 1 StVO. Obwohl Nebentätigkeiten daher grundsätzlich<br />
nicht ausdrücklich verboten sind, kann eine Beschäftigung mit fahrfremden Tätigkeiten<br />
negative Folgen für den Fahrer nach sich ziehen. Auch kann mit der Ausübung einer<br />
Nebentätigkeit eine Ablenkung vom Verkehrsgeschehen einhergehen, die zu strafoder<br />
zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsvorwürfen im Schadensfall und damit zur Haftung<br />
führen kann (König 2013f, Rn. 67; König, 2013g, Rn. 14).<br />
Nebentätigkeiten, wie sie oben beschrieben werden, bei denen die potenzielle<br />
Ablenkung nur kurzfristig oder wenig intensiv ist, stellen grundsätzlich keine<br />
Besonderheiten des hochautomatisierten Fahrens dar. Sie sind vielmehr alltäglich und<br />
auch bei der Fahrt mit konventionellen Fahrzeugen zu verzeichnen. Werden solche<br />
Nebentätigkeiten während einer hochautomatisierten Fahrphase ausgeführt und<br />
überwiegt die Hingabe des Fahrers zu dieser Nebentätigkeit so stark, dass er die im<br />
(Straßen-)Verkehr erforderliche Sorgfalt hinsichtlich der Aufmerksamkeit der<br />
Rückübernahmeaufforderung außer Acht lässt, kann dies im Schadensfall zur zivilund/oder<br />
strafrechtlichen Verantwortung des Fahrers führen. Eine diesbezüglich<br />
mögliche Verantwortung des Herstellers betrifft im Wesentlichen die zivilrechtliche<br />
Haftung für Produktfehler. Um einer solchen Haftung während einer<br />
hochautomatisierten Fahrphase zu entgehen, muss der Hersteller sicherstellen, dass der<br />
Fahrer rechtzeitig wieder die Fahraufgabe übernehmen kann. Hinsichtlich der<br />
Aufforderung zur Rückübernahme sind grundsätzlich keine überhöhten Anforderungen<br />
zu stellen. Es dürfte regelmäßig genügen, wenn der Hersteller durch verschiedene<br />
akustische, haptische und optische Signale sicherstellt, dass der grundsätzlich redliche<br />
Fahrer die Rückübernahmeaufforderung wahrnimmt. Soweit der Fahrer die<br />
Möglichkeiten des hochautomatisierten Fahrsystems missbraucht (er bspw. den<br />
Fahrersitz verlässt und so nicht mehr zugänglich für Vibrationen im Sitz ist), ist der<br />
Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.<br />
HAF auf Autobahnen – Industriepolitische Schlussfolgerungen<br />
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