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Cleversulzbach - Geigerdruck GmbH

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396<br />

Die Mörike-Stube und die Entstehung des<br />

Mörike-Museums<br />

Nur langsam leerte sich der Friedhof. Sehr<br />

viele <strong>Cleversulzbach</strong>er hatten sich am 2.<br />

August 1994 zur Beerdigung von Margarete<br />

Seebold eingefunden und sie auf ihrem<br />

letzten Erdenweg begleitet. Aber<br />

noch bedeutend mehr Auswärtige waren<br />

angereist, um an dieser Trauerfeier teilzunehmen,<br />

für eine Frau, die sie von Besuchen<br />

ihrer Mörike-Stube in lebendiger Erinnerung<br />

hatten.<br />

Pfarrer Ulrich Müller hatte ergreifende<br />

Worte gesprochen und das große Engagement<br />

von Margarete Seebold als rührige<br />

Wirtin, Betreuerin der Mörike-Stube und<br />

nicht zuletzt auch als langjährige Organistin<br />

der St.-Jost-Kirche gewürdigt; wenn<br />

auch nicht aus eigener Erinnerung, denn<br />

als er vor gut einem Jahr sein Amt als<br />

neuer Pfarrer in <strong>Cleversulzbach</strong> antrat,<br />

war Margarete Seebold, von heftiger<br />

Krankheit geplagt, schon 1991 gezwungen<br />

gewesen, die Gastwirtschaft, und damit<br />

auch die Mörike-Stube, für immer zu<br />

schließen. Bis zuletzt wohnte sie gut umsorgt<br />

im „Turmhahn“. Als aber die Kräfte<br />

der Helferinnen der Pfl ege nicht mehr gewachsen<br />

waren, kam Margarete Seebold<br />

am 18. Juli 1994 in ein Pfl egeheim. Dort<br />

ist sie zehn Tage später gestorben.<br />

Sie war sechs Jahre alt, als sie nach <strong>Cleversulzbach</strong><br />

kam. Ihre Eltern, die Wirtsleute<br />

Franz Ludwig und Mathilde Seebold,<br />

wollten nach Jahren in Frankfurt wieder<br />

zurück in die Heimat und hatten im Juli<br />

1912 von Hermann Schön das von ihm ein<br />

Jahr zuvor neu erbaute Haus mit Schankwirtschaft<br />

erworben. Das stattliche Gebäude<br />

an der Ecke Neuenstädter Straße<br />

und Hauptstraße (heute Brettacher<br />

Straße), schräg gegenüber der St.-Jost-<br />

Kirche, war bereits mit elektrischem Licht<br />

und fl ießendem Wasser versehen.<br />

Die Wirtsleute nannten ihre neue Gastwirtschaft<br />

„Zum Adler“. Der Name wurde<br />

in großen Buchstaben an der Wand zur<br />

Neuenstädter Straße angebracht und an<br />

der Eckwand zeigte ein schönes Wirtshausschild<br />

von beiden Straßenseiten<br />

sichtbar einen schwarzen, teilweise vergoldeten<br />

Adler. Ein Jahr später erhielt der<br />

„Adlerwirt“ auch die Erlaubnis, zwei Zimmer<br />

des ersten Stocks zur Beherbergung<br />

von Fremden zu nutzen.<br />

Margarete Seebold wuchs mit ihrer sechs<br />

Jahre jüngeren Schwester Hildegard Karoline<br />

(in der Familie nur Hilde genannt), die<br />

noch in Frankfurt am 10. März 1912, einige<br />

Monate vor dem Umzug, geboren<br />

war, in der umtriebigen Umgebung einer<br />

Gastwirtschaft auf. Zur Schule hatte sie<br />

nicht weit. Die war praktisch auf der anderen<br />

Straßenseite. Und die Hausaufgaben<br />

wurden sicherlich an einem Nebentisch im<br />

Gastraum gemacht.<br />

Als der Erste Weltkrieg 1914 begann,<br />

brauchte ihr Vater nicht mehr zum Militär;<br />

er war da bereits 43 Jahre alt. Viele<br />

andere junge Burschen dagegen wurden<br />

eingezogen und waren überzeugt, in spätestens<br />

sechs Wochen wieder zurückzukehren.<br />

Es sollte fünf Jahre dauern, bis der<br />

letzte Überlebende (aus Kriegsgefangenschaft)<br />

wieder zurückkam. Doch für 23<br />

junge Bürger gab es keine Rückkehr; 19<br />

sind im Krieg gefallen, vier wurden als<br />

vermisst gemeldet.<br />

Für die Bevölkerung brachte der Krieg erhebliche<br />

Einschränkungen. Lebensmittel und<br />

Konsumartikel wurden rationiert, Schlachtungen<br />

mussten beantragt und der Fleischüberschuss<br />

abgegeben werden. Hierunter<br />

hatten auch die Gastwirtschaften zu leiden.<br />

Die Speisezettel wurden magerer; der Umsatz<br />

von Bier und Wein musste es bringen.

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