Cleversulzbach - Geigerdruck GmbH
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einzeln und familienweise, oft in vollbesetzten<br />
Bussen. So stiegen am Vormittag<br />
des 2. April 1946 zwei Dutzend übernächtigte<br />
Flüchtlinge, unter ihnen die Familien<br />
Arlt und Humm, mit Koff ern, Pappkartons<br />
und Rucksäcken beladen, vor dem Pfarrhaus<br />
aus dem Bus. Auf ihren Einweisungsscheinen<br />
war vermerkt, dass sie ärztlich<br />
untersucht und entlaust seien und in <strong>Cleversulzbach</strong><br />
untergebracht werden sollten.<br />
Sie standen etwas verloren da, denn sie<br />
konnten erst am Abend auf die Höfe verteilt<br />
werden, die Bürgermeister Nef und<br />
seine Wohnungskommission für sie ausgesucht<br />
hatten und wo sie als Knechte und<br />
Mägde arbeiten sollten. So blieb noch Zeit<br />
für erste Erkundungsgänge ins Dorf und<br />
Gespräche mit den Ortsansässigen, deren<br />
Mundart sie nur mit Mühe verstanden.<br />
Dass die Unterbringung in der ersten Zeit<br />
oft schlecht, ja geradezu „menschenunwürdig“<br />
war, belegt ein Bittschreiben vom<br />
22. Dezember 1947 von Bürgermeister<br />
Nef: Nachdem nun die meisten Neubürger<br />
ihre Strohsäcke bereits schon 2 Jahre in<br />
Benützung haben u. zum größten Teil<br />
nicht mehr brauchbar sind, bitte ich das<br />
Kreiskommissariat für Neubürger u. Ausgewiesene<br />
unserer Gemeinde dringend 50<br />
Stück Strohsäcke mit Kopfkeil zuzuweisen.<br />
22<br />
Die Aufnahme der Heimatvertriebenen<br />
und Flüchtlinge war in <strong>Cleversulzbach</strong><br />
ähnlich wie überall im Lande zunächst alles<br />
andere als herzlich. Die dürftige Informations-<br />
und Nachrichtenlage förderte<br />
Unkenntnis und Unverständnis für Flucht<br />
und Vertreibung als Folge des verlorenen<br />
Krieges. Auch glaubte man mit der eigenen<br />
Not genug belastet zu sein. Ohne<br />
massiven Druck der amerikanischen Militärregierung<br />
und der deutschen Verwaltungsstellen<br />
wie z. B. des Staatsbeauftragten<br />
für das Flüchtlingswesen bei der Landesregierung<br />
von Württemberg-Baden 23<br />
und des Flüchtlingskommissars in Heil-<br />
bronn wäre die Unterbringung oft gar<br />
nicht möglich gewesen.<br />
Natürlich gab es auch Hilfsbereitschaft.<br />
Und immer mehr respektierte man Fleiß<br />
und berufl iche Fähigkeiten vieler „Neubürger“.<br />
Bei der Gemeinderatswahl von<br />
1951, der zweiten nach dem Krieg, wurde<br />
mit Josef Wenesch der erste Neubürger<br />
gewählt. Als er zwei Jahre später wegzog,<br />
rückte für ihn der Bessarabiendeutsche<br />
Gotthilf Arlt nach und wurde bei allen<br />
folgenden Gemeinderatswahlen der selbständigen<br />
Gemeinde <strong>Cleversulzbach</strong> wieder<br />
gewählt. Zudem war er von 1965 bis<br />
zum Ende der Selbständigkeit <strong>Cleversulzbach</strong>s<br />
am 31. Dezember 1971 stellvertretender<br />
Bürgermeister.<br />
Hilfreich bei der Integration der Neubürger<br />
waren auch „Respektspersonen“ unter<br />
den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen<br />
wie Pfarrer und Lehrer. In <strong>Cleversulzbach</strong><br />
war von 1949 bis 1956 Hermann Grawunder<br />
aus Ostpreußen Pfarrer und von 1951<br />
bis 1957 Edith Käfer (seit 1953 verh. Grawunder)<br />
– seine Schwiegertochter aus einem<br />
deutschen Siedlungsgebiet in der<br />
Südukraine – Lehrerin an der örtlichen<br />
Volksschule. Neubürger waren also nicht<br />
immer nur Mägde und Knechte oder Hilfs-<br />
und Gelegenheitsarbeiter.<br />
Auch die örtlichen Vereine spielten bei der<br />
Integration eine wichtige Rolle. Beispielhaft<br />
sei hier Werner Hübener genannt, der<br />
schon vor Ende des Krieges nach <strong>Cleversulzbach</strong><br />
kam. In einem Lazarett im Elsass<br />
hatte er die Rotkreuzschwester Hedwig<br />
Kress aus <strong>Cleversulzbach</strong> kennen gelernt<br />
und sie ein Jahr vor Kriegsende geheiratet.<br />
Obwohl in Magdeburg geboren, war er<br />
also kein Flüchtling, aber doch kriegsbedingt<br />
ein „Neubürger“. Er trat 1946 dem<br />
Arbeiter-, Rad- und Kraftfahrerverein bei,<br />
dessen Vorsitzender er 1969 wurde und<br />
dessen Weiterentwicklung zum Rad- und<br />
Motorsportclub er wesentlich mitbestimmte.<br />
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