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Cleversulzbach - Geigerdruck GmbH

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an hatte alles seine Richtigkeit. Wir waren<br />

für die Gemeinde <strong>Cleversulzbach</strong> bestimmt<br />

und bekamen auch gleich mit<br />

Pferd und Wagen eine Unterkunft.<br />

Eine ältere, alleinstehende Frau Hesser hat<br />

uns aufgenommen, obwohl schon drei<br />

Flüchtlinge aus dem Sudentenland in ihrem<br />

Haus waren. So hatte jede Familie ein<br />

Zimmer bekommen, Feldbetten und Bettzeug<br />

gab es vom Roten Kreuz, die Küche<br />

war gemeinsam. Inzwischen war es Frühling<br />

geworden. Ich habe beim Bürgermeister<br />

Lambert Herrmann eine Dienststelle<br />

bekommen. Dort verrichtete ich die Arbeit<br />

im Haus, Feld oder Weinberg. Hauptsache<br />

war, man war irgendwie versorgt. Der Monatslohn<br />

betrug 30 RM. Meine Schwester<br />

Alma, die sechs Jahre älter war, hatte<br />

schon einen Beruf, den der Schneiderin,<br />

gelernt. In der Nachkriegszeit hatte man<br />

nur die Möglichkeit, aus alten abgetragenen<br />

Kleider etwas Neues zu schneidern,<br />

oder man konnte sich Stoff eintauschen<br />

gegen Lebensmittel. So hatte meine<br />

Schwester vollauf zu schaff en. Von einem<br />

Arbeitslohn konnte keine Rede sein. Jeder<br />

brachte anstatt Lohn etwas an Lebensmitteln,<br />

das jeder so zur Verfügung hatte.<br />

Mein Vater war mit seinem Pferdegespann<br />

sehr gefragt. Es waren<br />

viele alleinstehende Frauen mit<br />

kleiner Landwirtschaft da, deren<br />

Männer noch in Gefangenschaft<br />

waren oder gar im Krieg gefallen<br />

sind. Die Frauen waren recht<br />

froh, dass die Äcker und Wiesen<br />

bearbeitet wurden. Es war Frühling,<br />

wir hatten wohl eine Wohnung,<br />

aber es fehlte an allem.<br />

Wir gingen zu jeder freien<br />

Stunde in den Wald. Mit der Erlaubnis<br />

vom Bürgermeister<br />

konnten wir uns so viel Brockel-<br />

holz und Tannenzapfen zum<br />

Feuermachen holen, wie wir<br />

brauchten. Als Streu für die<br />

Pferde haben wir trockene Blätter im<br />

Wald in große Säcke gefüllt, so dass immer<br />

ein Vorrat da war. Der Wald hat uns<br />

in der Not über das ganze Jahr hinweg<br />

geholfen. Der Wald war wie eine große<br />

Vorratskammer. Im Sommer gab es Pilze<br />

und Beeren und im Herbst waren reichlich<br />

Haselnüsse und Buchecker zu fi nden.<br />

Die komplette Familie ging über die<br />

Herbstzeit in den Wald, um die Buchele<br />

aufzulesen. Das Ergebnis war eine große<br />

Kanne Öl, denn in der Nähe von <strong>Cleversulzbach</strong><br />

war eine Ölmühle. Für längere<br />

Zeit hatten wir doch Fett im Haus. Das Öl<br />

eignete sich zum Kochen und Braten. Die<br />

Buchecker rösteten wir mit Zucker wie gebrannte<br />

Mandeln, es war etwas ganz Besonderes.<br />

Aus getrockneten Apfelschalen<br />

wurde Tee zubereitet. Der Kaff ee wurde<br />

aus gerösteter Gerste und Roggenkörnern<br />

gemahlen und zubereitet. Im Sommer<br />

wurden auf abgeernteten Getreidefeldern<br />

die übrigen Ähren gesammelt, und wie<br />

stolz waren wir, von der Mühle ein Säckchen<br />

Mehl nach Hause zu tragen. Der<br />

erste Hefekranz, den wir von dem Mehl<br />

gebacken haben, wird für uns unvergesslich<br />

bleiben. Es war der beste aller Zeiten.<br />

Mein Vater konnte 1948 über die Landes-<br />

Familie Kaldun bei der Heuernte in den Märzenwiesen,<br />

Ende der 1940er Jahre, im Hintergrund der „Verrenberg“.<br />

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