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Cleversulzbach - Geigerdruck GmbH

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422<br />

Die Frau des Pfarrers mit ihren Kindern<br />

kann ich heute noch nicht begrüßen, da<br />

sie mit den Letzteren noch in Frankreich<br />

weilt. Ich erfahre, dass sie eine Französin<br />

ist, und später erzählen mir Brauns noch<br />

von dem nicht immer stillen und idyllischen<br />

Leben im Pfarrhaus.<br />

Das mag auch der Grund sein, weshalb<br />

man mir im Pfarrhaus kein Quartier geben<br />

kann. Damit habe ich auch gleich ein ganz<br />

bedeutendes Problem berührt: die Wohnungsfrage.<br />

Heute gelten die Besuche<br />

nicht allein der „Bekanntmachung“ der<br />

neuen Lehrerin, nein, sie haben einen viel<br />

realeren Zweck, eine Bleibe für die Arme<br />

zu fi nden.<br />

Überhaupt werde ich sehr bedauert, daß<br />

ich fast glaube, in der Vorhölle gelandet<br />

zu sein. „Auch das noch – die sind wohl<br />

nicht ganz gescheit – um Himmels willen<br />

– schicken die ein Mädle – hier soll doch<br />

endlich eimal ein Mann her!!“ Das waren<br />

die ersten Worte der Frau Braun nach unserer<br />

Begrüßung, die nun bei jedem erneuten<br />

Vorstellen, wenn auch mit etwas<br />

anderen Worten, an meine Ohren dringen.<br />

Nun, die Lehrersleute wollen mir behilfl ich<br />

sein, ein Unterkommen zu fi nden – es<br />

wird ja auch als Pfl icht angesehen. Der<br />

Bürgermeister – einen einfacheren Mann<br />

habe ich mir für dieses Amt nicht vorstellen<br />

können, zumal er nur einen rechten<br />

Arm hat und infolgedessen die Polizeigewalt<br />

nur mit der Kraft des Amtes ausüben<br />

kann – eben der Bürgermeister überlegt<br />

auch krampfhaft, wie er an eine Wohnung<br />

kommen soll. Das Pfarrhaus wird von allen<br />

erwähnt – als Möglichkeit aber bald wieder<br />

abgelehnt – aus Höfl ichkeit dem Pfarrer<br />

gegenüber. Das steigert natürlich<br />

meine Neugier auf Frau „Georgette“.<br />

Wir kehren nun den Rücken zum Bürgermeisteramt<br />

und wollen der Schule einen<br />

Besuch abstatten. Ich betrete den Klassenraum<br />

zum ersten Mal und fi nde ihn recht<br />

groß und hell durch die beiden Fensterrei-<br />

hen. Die Tische und Stühle sind fast neu,<br />

und so habe ich einen Klassenraum, in<br />

dem ich mich schon jetzt ganz zu Hause<br />

fühle. Wie mein Gefühl allerdings aussehen<br />

wird am ersten Tag, wenn ich hier vor<br />

einer vollbesetzten Klasse mit vier Schuljahren<br />

und insgesamt 37 Schülern stehe,<br />

das kann ich mir noch nicht ganz ausmalen!<br />

Auf jeden Fall ist das leere Klassenzimmer<br />

mir durchaus nicht unheimlich!<br />

Vom Schulhof aus betrachtet, sieht meine<br />

Klasse (obere Fensterreihe) so aus:<br />

Nachdem ich das ganze Schulhaus besichtigt<br />

habe, bin ich froh, wieder frische Luft<br />

atmen zu können. Tatsächlich ist mein<br />

Klassenzimmer noch der Raum des Schulhauses,<br />

in welchem man es am längsten<br />

aushalten kann. Von dem Kartenraum, in<br />

welchem der damalige Lehrer (von 1930<br />

etwa) noch sein Schlaf- oder Kinderschlafzimmer<br />

hatte, lässt sich ein Kleid<br />

machen aus den vielen Spinnwebenfäden.<br />

Die Enge des Raumes ist einfach erdrückend,<br />

und nun erkenne ich, wie wahr jenes<br />

Lied vom „armen Dorfschulmeisterlein“<br />

ist. Aber die Tür zu dem etwa 5 qm<br />

großen Raum kann ich nicht recht öff nen,<br />

da von einem halb-verschimmelten Torso<br />

Magen und Leber herausgefallen sind, die<br />

den Eintretenden an die Erdanziehungskraft<br />

erinnern, die alles zu Boden zieht.<br />

Dieser Raum ist erdrückender als ein Mu-

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