Cleversulzbach - Geigerdruck GmbH
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binden, dann in geordnete Bahnen lenken.<br />
Friedrich List sollte hierfür die Grundlagen<br />
erforschen. Die Motive, die List bei seiner<br />
Befragung von über zweihundert Auswanderungswilligen<br />
aus den Oberämtern<br />
Weinsberg, Heilbronn und Neckarsulm<br />
protokollierte, galten eigentlich trotz einiger<br />
politischer Reformen bis 1914: vor allem<br />
wirtschaftliche Not, aber auch mangelnde<br />
politische Freiheit.<br />
Von den acht <strong>Cleversulzbach</strong>er Auswanderungswilligen<br />
von 1817 sind vermutlich<br />
nur zwei oder drei tatsächlich nach Amerika<br />
gekommen. In Amsterdam und anderen<br />
Kanalhäfen stauten sich die verzweifelten<br />
Massen, denn nur gegen Barzahlung<br />
(ca. 170 Gulden für Erwachsene und<br />
85 Gulden pro Kind) konnte man die sieben-<br />
bis zehnwöchige Segelschiff sreise<br />
antreten. Das so genannte Redemptioner-<br />
System, nach dem die Kapitäne die<br />
Schiff spassage vorfi nanzierten, war unter<br />
dem Massenansturm zusammengebrochen.<br />
Die Kapitäne fanden keine Dienstherren<br />
mehr, die ihnen die Auswanderer<br />
„abkauften“, um sie dann mehrere Jahre<br />
lang die Schiff spassage abarbeiten zu lassen.<br />
Die Niederlande ließen deswegen ab<br />
Sommer nur noch Auswanderer einreisen,<br />
die genügend Geld für die Überfahrt<br />
nachweisen konnten. Enttäuschte Rückkehrer,<br />
die vor ihrer Abreise Hab und Gut<br />
verkauft hatten, begegneten auf Rhein<br />
und Neckar hoff nungsvollen Auswanderern.<br />
Um das Unglück voll zu machen, fi el<br />
auch 1817 die Ernte bösen Unwettern<br />
zum Opfer.<br />
Immerhin gelang Johann Christian Stahl,<br />
ein Sohn des von List befragten, damals<br />
schon 60-jährigen Johann Martin Stahl,<br />
die Auswanderung. In einem Brief vom 6.<br />
März 1819 aus der Kleinstadt Oley in<br />
Pennsylvania berichtet er seinem Bruder<br />
von der geglückten siebenwöchigen Seereise.<br />
Jetzt lebe er wie ein Beamter in<br />
Deutschland der große Besoldung hat. […]<br />
Wer in diesem Amerika arbeiten will, der<br />
kann leben als wie ein Edelmann. Nur eines<br />
stimmt ihn traurig: Ich denke wir werden<br />
einander nimmermehr sehen. 1<br />
Frühes 19. Jahrhundert:<br />
Russland lockt mit Privilegien<br />
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
war auch Russland, das ohne lästige Ozeanüberquerung<br />
zu erreichen war, Auswanderungsziel.<br />
Aus <strong>Cleversulzbach</strong><br />
machten sich 1834 der Maurer und Steinhauer<br />
Martin Stahl mit Frau und Kind und<br />
Weber 2 Johann Christoph Plenefi sch mit<br />
Ehefrau, Mutter und einem Kind nach<br />
Russisch Polen bey Warschau 3 auf den<br />
Weg. Die Ansiedlung dort war kein Erfolg<br />
und die meisten dieser „Warschauer Kolonisten“<br />
zogen weiter nach Bessarabien, wo<br />
seit 1814 – mit Privilegien des Zaren ausgestattet<br />
– Deutsche in geschlossenen<br />
Siedlungsgebieten bis zu ihrer Umsiedlung<br />
1940 lebten. Johann Christoph Plenefi sch<br />
(1799–1868) kehrte allerdings mit seiner<br />
Familie in die alte Heimat zurück und<br />
schlug sich recht und schlecht als Weber<br />
durch. Gemeinde und Oberamt bestanden<br />
zunächst darauf, dass er wieder nach Polen<br />
zurükkehren muß, wohin er gehört 4 ,<br />
doch zeigte sich der Gemeinderat am<br />
11. Dezember 1837 gnädig und nahm ihn<br />
nach hinlänglicher Berathung 5 gegen<br />
eine Gebühr von 25 Gulden wieder in die<br />
Bürgerschaft auf.<br />
So gut war es seinem jüngeren Bruder drei<br />
Jahre zuvor nicht ergangen. Der ledige<br />
Schneider Christian Plenefi sch (* 1804) war<br />
1831 mit seiner Schwester Sabina Magdalena<br />
(* 1802) gleich nach Bessarabien ausgewandert<br />
6 , von dort aber 1834 zurückgekommen.<br />
Ihn wollte man jedoch keinesfalls<br />
wieder im Dorf haben. Der Gemeinderat<br />
bewilligte Schuhmacher Abraham<br />
Freundt, der ihn 21 Tage verköstigt hatte,<br />
zwei Gulden und sechs Kreuzer Kostgeld<br />
und bezahlte auch die für die Reise durch