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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Zur Wahrnehmung und Bewältigung städtischer Wasserkrisen im späten 19. Jh.<br />

dürfnissen und natürlichen Ressourcen vonnöten. Bezugspunkt für eine quasi für<br />

beide Seiten gleichermaßen verträgliche Abgrenzung bildet in der Gegenwart vielerorts<br />

das Leitbild der „nachhaltigen Entwicklung“. Seinem Inhalt nach ging dieses<br />

Leitbild aus der Stockholmer UNO-Konferenz von 1972 hervor. Allerdings<br />

hatten die dam<strong>als</strong> beteiligten Akteure von dem Begriff „nachhaltig“ oder „Nachhaltigkeit“<br />

selbst noch keinen Gebrauch gemacht. Anders verhielt sich die von der<br />

UNO ins Leben gerufene „World Commission on Environment and Development“,<br />

die den 1972 ausgelegten Faden nicht nur wieder aufnahm und weiterführte,<br />

sondern auch das Leitbild „Nachhaltigkeit“ explizit in ihren Bericht „Our<br />

Common Future“ von 1987 integrierte. 5<br />

Als historische conditio sine qua non für das Aufkommen des Nachhaltigkeitsleitbildes<br />

sind das Hygieneleitbild und der Hygienediskurs des späten 19. und frühen<br />

20. Jahrhunderts anzusehen. 6 Gemeint sind damit die mannigfaltigen Aktivitäten,<br />

die, von Großbritannien ausgehend, individuelle und institutionelle Akteure im<br />

Laufe des 19. Jahrhunderts in Deutschland und anderen Ländern Westeuropas und<br />

in Nordamerika entfalteten, um die jeweilige Gesellschaft nach hygienischen<br />

Gesichtspunkten zu reformieren. Besonderes Augenmerk richtete sich hierbei auf<br />

die städtischen Lebensverhältnisse, deren grundlegende Verbesserung man zumal<br />

in größeren Gemeinwesen aus einer Reihe von Gründen anstrebte. Wie Juan Ro-<br />

driguez-Lorez bereits Mitte der 1980er Jahre ausführte, waren diese Reformen mit<br />

dem Setzen einer Reihe von „Grenzlinien“ aufs Engste verknüpft. Rodriguez-<br />

Lorez interpretierte die neu geschaffenen „Grenzlinien“ <strong>als</strong> Ausdruck eines – bildlich<br />

gesagt – Mehrfrontenkrieges, den die Städte gegen „das Proletariat, die Krankheitserreger,<br />

die Leistungsunfähigen und Leistungsschwachen [und] die verpesteten<br />

städtischen Räume“ führten. Nicht zuletzt mit dem Aufbau zentraler Systeme zur<br />

Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sollte das Wachstum der Städte weitergeführt<br />

und in stabile, kontrollierbare Bahnen gelenkt werden. 7 Wir wissen, dass<br />

dieses Ringen das gewünschte Resultat zeitigte. Mit Jürgen Reulecke gesprochen<br />

ermöglichte das Zusammenspiel der beiden eben genannten Systeme mit weiteren<br />

technischen und anderen kommunalen Einrichtungen eine „Urbanisierung im<br />

engeren Sinne“ 8. Die Begleiterscheinungen des teil- und zeitweise rapiden städti-<br />

5 Winiwarter, V. / Knoll, M.: Umweltgeschichte. Eine Einführung, Köln / Weimar / Wien 2007,<br />

S. 303-305.<br />

6 Diese Argumentation vertreten auch: Münch, P.: Stadthygiene im 19. und 20. Jahrhundert. Die Wasserversorgung,<br />

Abwasser- und Abfallbeseitigung unter besonderer Berücksichtigung Münchens, Göttingen 1993, S. 13 f.,<br />

339; Radkau, J.: <strong>Natur</strong> und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt, München 2000, S. 280 f..<br />

7 Rodriguez-Lores, J.: Stadthygiene und Städtebau. Zur Dialektik von Ordnung und Unordnung in den Auseinandersetzungen<br />

des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 1868-1901, in: Derselbe<br />

/ Fehl, G. (Hg.): Städtebaureform 1865-1900. Teil 1: Von Licht, Luft und Ordnung in der Stadt<br />

der Gründerzeit. Allgemeine Beiträge und Bebauungsplanung, Hamburg 1985, S. 19-58, hier S. 21 f.,<br />

35.<br />

8 Reulecke, J.: Gesundheitsfür- und -vorsorge in den deutschen Städten seit dem 19. Jahrhundert, in: Machule,<br />

D. / Mischer, O. / Sywottek, A. (Hg.): Macht Stadt krank? Vom Umgang mit Gesundheit und<br />

Krankheit, Hamburg 1996, S. 70-83, hier S. 70.<br />

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