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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Zur Wahrnehmung und Bewältigung städtischer Wasserkrisen im späten 19. Jh.<br />

und der Bau eines Wasserwerkes vorgezogen werden. Vier Monate später beschloss<br />

der Gemeinderat, der Staatsverwaltung eine entsprechende Anfrage zukommen<br />

zu lassen. Letztere enthielt indes nicht nur die Erklärung des Gemeinderates,<br />

innerhalb von circa eineinhalb Jahren eine zentrale Wasserversorgung errichten<br />

zu wollen, um Bevölkerung und Betriebe mit Trink- und Brauchwasser zu<br />

versorgen. Darüber hinaus versprach man, mittels der neuen Anlage der Entwässerung<br />

dienliche Straßenrinnsteine zu säubern. Die Notwendigkeit des Wasserwerks<br />

rechtfertigte der Gemeinderat mit zwischenzeitlich vorgenommenen Probebohrungen<br />

und Wasseranalysen. Einerseits verwies man auf die Einschätzung zweier<br />

Gutachter, außerhalb des Stadtgebietes ein in quantitativer und qualitativer Hinsicht<br />

vorteilhaftes Grundwasservorkommen erschließen zu können. Andererseits<br />

führte man die vermeintlich schlechte Qualität des hiesigen Brunnenwassers <strong>als</strong><br />

Argument ins Feld.<br />

So berichtete der „Anhaltische Staatsanzeiger“, das Dessauer Pendant zum<br />

„Darmstädter Tagblatt“, Anfang Januar 1874 von beträchtlichen Qualitätsunterschieden.<br />

Außerdem habe man festgestellt, dass einige Brunnen der Gesundheit<br />

abträgliches Wasser enthalten. In ihrer Berichterstattung berief sich die Zeitung auf<br />

den einschlägigen Vortrag, den ein ortsansässiger Apotheker und Medizinalassessor<br />

im Vorjahr gehalten hatte. Mitte Januar 1874 trat der Sachverständige erneut<br />

vor die Öffentlichkeit, indem er Mitgliedern des <strong>Natur</strong>historischen Vereins für<br />

Anhalt darlegte, man müsse versorgungstechnisch einen neuen Weg einschlagen.<br />

Die durch Abfälle und Exkremente verursachte Verunreinigung des Erdreichs<br />

erzwinge förmlich eine Abkehr von der auf Brunnen gestützten Versorgung.<br />

Schließlich sei hygienisch akzeptables Brunnenwasser nur noch außerhalb des bebauten<br />

Stadtgebiets oder in erst kürzlich entstandenen Stadtteilen zu finden. Einzig<br />

der relativ niedrigen Einwohnerzahl sowie der gegenwärtig noch aufgelockerten<br />

Bebauung sei es zu verdanken, dass Dessau der „Ruf einer gesunden Stadt“ gebühre.<br />

Der Bestandsaufnahme folgte unterdessen eine Mahnung: Weil die Stadt künftig<br />

wachsen werde, sei eine Verschlechterung der beschriebenen Situation zwingend<br />

zu erwarten. Um das Schlimmste zu verhüten, müsse man daher nicht nur die<br />

Abfall- und Abwasserentsorgungspraxis stärker reglementieren und kontrollieren,<br />

sondern auch präventiv die Wasserversorgungssituation neu ordnen. Etwaige Bedenken<br />

wegen der damit unweigerlich verbundenen Kosten hätten zurückzutreten,<br />

seien doch die Erfordernisse der öffentlichen Gesundheitspflege höher zu gewichten.<br />

Der Aufforderung, sich von den Brunnen abzuwenden und eine zentrale Versorgungsanlage<br />

einzuführen, lagen wie in Darmstadt die Grenzwerte der Wiener<br />

Wasserversorgungskommission zu Grunde. Weiterhin berief sich der chemisch<br />

geschulte Referent auf die Kriterien des Brüsseler Sanitätskongresses von 1852,<br />

ohne aber darauf hinzuweisen, dass die Gültigkeit beider Referenzrahmen unter<br />

Fachleuten seinerzeit kontrovers diskutiert wurde. Ungeachtet dessen machte sich<br />

der „Anhaltische Staatsanzeiger“ sowohl Mahnung <strong>als</strong> auch Appell zu eigen, indem<br />

er seine Leser dazu anhielt, man müsse diesen „Sanitätsrücksichten [...] von höchs-<br />

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