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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Martin Knoll<br />

Achim Landwehrs darum, dass naturale Zeichen für die Legitimation von Abgrenzung<br />

gedeutet werden. Solcher Art definierte Grenzen besitzen die höchst mögliche<br />

Legitimation, können sie doch <strong>als</strong> Teil des göttlichen Schöpfungsplanes<br />

attribuiert werden. 28 Ihre soziale Konstruktion fußt im epochalen Übergang zur<br />

Neuzeit noch auf einem hermeneutischen <strong>Natur</strong>verständnis. 29<br />

Ein ganz ähnlicher Befund aus ganz anderer Feder und bezogen auf andere<br />

Elemente der Geomorphologie begegnet uns in einer umfangreichen Beschreibung<br />

des kurfürstlichen Schlosses und des kurfürstlichen Pfleggerichts Kling im südostbayerischen<br />

Voralpenland. 30 Dieses Kapitel der Weningschen Topografie basiert<br />

vermutlich auf dem Bericht des örtlichen Pflegrichters und sticht besonders deswegen<br />

ins Auge, weil der Autor mit einer bemerkenswerten Liebe zum landschaftsästhetischen<br />

Detail den herrlichen „Prospectus“, <strong>als</strong>o den Ausblick erklärt,<br />

der sich bei geeigneten Wetter- und Lichtverhältnissen vom Schloss aus bot. 31<br />

Nicht nur die nahe Alpenkette im Süden wird angesprochen, sondern auch der<br />

Fernblick gegen das „Podenseerische Gepürg“ im Westen, die „Böheimischen<br />

Waldungen“ im Nordosten und das Land ob der Enns im Osten, und dazwischen<br />

mit sanften Hügeln, „frischen Waldungen“, Feldern, Klöstern und Städten: das<br />

kurbayerische Territorium. Auch hier grenzen naturale Strukturen ein Territorium<br />

ein, erzeugen territoriale Homogenität. Das Eingegrenzte schließlich kommt geradezu<br />

<strong>als</strong> Ideallandschaft daher, in der sich Siedlung und <strong>Natur</strong> optimal ergänzen. In<br />

diesem Zusammenhang ist auch die bereits in Kodifikationen des 14. Jahrhunderts<br />

greifbare sog. „Vier-Wälder-Formel“, von Interesse, die eine von Schwarzwald,<br />

Thüringer Wald, Böhmerwald und den Alpen abgegrenzte räumliche Einheit, das<br />

sprung / Fortpflantzung / und andere merkwürdigiste Bayrische Denk-Sachen / alle aus dem unvervälschten Grund<br />

der Antiquität enthalten, Nürnberg 1687 [ND Donauwörth 1995].<br />

28 Landwehr, A.: Der Raum <strong>als</strong> ‚genähte‘ Einheit. Venezianische Grenzen im 18. Jahrhundert, in: Behrisch, L.<br />

(Hg.): Vermessen, Zählen, Berechnen. Die politische Ordnung des Raums im 18. Jahrhundert, Frankfurt<br />

2006, S. 45–64, hier: S. 53–55.<br />

29 Landwehr, A.: Die Erschaffung Venedigs. Raum, Bevölkerung, Mythos 1570-1750, Paderborn 2007,<br />

S. 119.<br />

30 Wening: Descriptio II, S. 3f, Bild B 8.<br />

31 Wening: Descriptio II, S. 4: „[Das Schloss] Ligt auff einem zimblich hohen doch lustigen Berg / in<br />

seinem Angesicht noch einen höhern / doch ebenfalls sehr annemblichen gähe auffsteigenden Berg<br />

habend / von welchem das Spring-Wasser in das Churfürstl. Schloß geleytet wird / gegen die übrige<br />

drey Theil aber ist es mit flachen Land / kleinen Pichlen / frischen Waldungen / und undermängten<br />

eingen Feldungen umbgeben / und dahero geniesset man allda auff vil Meil Weegs den schönsten<br />

Prospect, daß es das fürwitzige Aug nicht genugsamb fassen kan; sonderbar aber das von Auffgang<br />

/ gegen Mittag biß Abend in einer schönen Linea sich hervor reckende blau schimmerende<br />

Gebürg / eine der schönsten Landschafften abbildet. [...] der oben angezeigte Berg / weilen er sich<br />

auß einem zimblich flachen Land allgemach erhebt / macht gegen alle vier Theill der angräntzenden<br />

Länder ein so Verwunderung würdiges Außsehen, daß man von da auß die Böheimische Waldungen<br />

/ unnd zugleich das Podenseerische Gebürg / neben dem Land ob der Enntz / die Saltzburgische<br />

unnd Tyrollerische Alpen / mit denen Stätten München / Mülldorftt / Alt- und Neuenöttingen<br />

/ Braunau und Saltzburg / neben fast unzahlbaren Clöstern / Schlössern / Kirchen und Gebäuen<br />

bey häutern Tag erblicken kann.“

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