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Natur als Grenzerfahrung - Oapen

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Anke Fischer-Kattner<br />

liches Erkenntnismoment, das Wissen und somit – im Sinne Foucaults und Saids 79<br />

– Macht über das Geschehen verleiht.<br />

Detaillierteres Wissen und damit größere Gewissheit in der Interpretation sowie<br />

für das eigene Handeln sind in Barths Reisebeschreibung zugleich Mittel und<br />

Ziel. Eine gute Illustration bieten hierfür die ‚natürlichen Grenzen‘, die Barth und<br />

seine europäischen Reisegefährten in Afrika (beispielsweise zwischen Nomaden<br />

und Siedlern 80) sahen. Solche Interpretationen suggerieren Handlungssicherheit,<br />

aber sie können dabei, wie es Barth für eine Grenzinterpretation Richardsons beschrieb,<br />

auch trügerisch sein:<br />

„Mr. Richardson supposed that because we had reached the imaginary frontier of the territories<br />

of Azkár and Kél-owí, we were beyond the reach of any attack from the north. With the utmost<br />

obstinacy he reprobated as absurd any supposition that such a frontier might be easily crossed<br />

by nomadic roving tribes, asserting that these frontiers in the desert were respected much more scrupulously<br />

than any frontier of Austria, notwithstanding the innumerable host of its land-waiters.<br />

But he was soon to be undeceived on all the points of his desert diplomacy, at his own expense and<br />

that of us all.“ 81<br />

Richardsons f<strong>als</strong>che Assoziation von territorialen Grenzen in der Sahara mit<br />

der Kontrolle und Sicherheit, die der österreichischen Grenze zugeschrieben<br />

wurden, erwies sich <strong>als</strong> fatal: Die ‚Nomadenstämme‘, von denen ein Überfall erwartet<br />

werden konnte, ließen sich von einer ‚imaginären Grenze‘ in der Wüste<br />

nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Der Fehler lag für Barth hier aber in der<br />

Interpretation, nicht in der grundsätzlichen Annahme, dass man ‚natürliche Grenzen‘<br />

<strong>als</strong> Basis für eigenes Handeln heranziehen könne. So beschreibt er an anderer<br />

Stelle selbst mit größter interpretatorischer Sicherheit die Grenze zwischen den<br />

Territorien von Hausa und Bornu, wo sich, Barths Wahrnehmungsschema entsprechend,<br />

mit der Physiognomie der Einwohner auch deren Charakter ändere. 82<br />

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts tauchten <strong>als</strong>o ‚natürliche Grenzen‘ klar umrissener<br />

Gebiete auf der ‚mental map‘, die sich europäische Reisende von Afrika<br />

machten, wieder auf. Die Unsicherheiten ihrer Vorgänger schienen verschwunden:<br />

Wo diese nur versucht hatten, die weißen Flecken auf D’Anvilles Karten durch<br />

genaue Lokalisation einzelner Orte und ihrer Verbindungswege 83 langsam zu ‚<br />

79 Vgl. Said, E. W.: Orientalism : Western conceptions of the orient, London 2003 (erste Edition 1978). Foucault,<br />

M.: L’ordre du discours. Leçon inaugurale au Collège de France, prononcée le 2 décembre 1970, Paris 1971.<br />

80 Barth: Travels, Bd. 1, S. 83.<br />

81 Ebd., S. 237 f..<br />

82 Ebd., S. 535.<br />

83 Für die von ihnen bereisten Hauptorte versuchten die Reisenden des 18. Jahrhunderts durch astronomische<br />

Beobachtungen und komplizierte Berechnungen geographische Längen- und Breitengradangaben<br />

zu erhalten. Die Lage kleinerer Orte wurde mit Hilfe der Reisezeit zwischen ihnen interpoliert.<br />

Vgl. Park: Travels, Appendix (Geographical Illustrations of Mr. Park’s Journey by Major Rennell),<br />

S. I-XCII und folgende Karten.

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